Foto: DWDLAls er am Montagvormittag auf die Bühne des medienforum.nrw trat, hing die Eröffnungsveranstaltung in den Kölner Rheinparkhallen schon um eine knappe halbe Stunde. Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma und insbesondere Prof. Dr. Norbert Schneider, Chef der LfM NRW, hatten zu Beginn des medienforum.nrw 2009 bereits viel zu erzählen. Deshalb, so der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers, wolle er sich kurz fassen. Aus einer langen Liebeserklärung an die Zeitung wurde deshalb eine kurze - mit nicht weniger deutlichen Worten. Rüttgers lobte die Vielfalt und den Wert des deutschen Zeitungsmarktes, insbesondere dem Markt der Tageszeitungen, und bekundete: "Ein Leben ohne Zeitung ist für mich nicht vorstellbar."

Eine extra für seine Rede angefertigte, repräsentative Meinungsumfrage soll die Bedeutung der Tageszeitung und damit Rüttgers Argumentation stützen. 76 Prozent aller Befragten würden eine Lokalzeitung lesen - sagt die Umfrage. Wie tragisch jedoch, dass sich die Print-Branche und ihr heißester Verehrer auf dem politischen Parkett dabei auf eine Meinungsumfrage beziehen müssen. Marktforschung quasi als Beruhigungspille, weil der Markt selbst längst etwas anderes sagt. Leider jedoch verpasste Rüttgers es, mögliche Perspektiven für die Print-Branche zu formulieren. Dabei sind die ja gegeben. Nicht zwingend für Tageszeitungen, doch gerade auf dem Markt der Wochenzeitungen herrscht derzeit verhaltene Euphorie, wenn man an die Rekordauflagen der "Zeit" oder das Auflagenplus der "FAS" denkt. Doch Rüttgers Botschaft beim medienforum.nrw: Print ist gut so wie es ist und immer war. Handlungsbedarf bestehe nicht. Stattdessen sollen die Rahmenbedingungen geändert werden.

Rüttgers sprach sich ganz klar gegen Staatshilfen für Verlage aus und warb stattdessen aber für individuelle Lockerungen medienrechtlicher Bestimmungen, die die Entwicklung der Verlagshäuser fördern könnten. Ganz aktuell will Rüttgers ja den Verlagen in seinem Bundesland eine Beteiligung an Fernsehsendern über 24,9 Prozent hinaus ermöglichen. Verlage sollen so die Möglichkeit bekommen, sich zu Medienhäusern zu entwickeln. Die paradoxe Logik: Das Medium Fernsehen soll das Medium Print retten? Man ist versucht zu fragen: Ist das wirklich alles, was Verlagen derzeit einfällt? Überzeugung vom eigenen Medium klingt anders und mögliche zusätzliche Einnahmen aus Lokal-TV-Aktivitäten - die noch zu beweisen wären - ändern nichts an der wirtschaftlichen und inhaltlichen Entwicklung der klassischen Tagszeitung. Es würde nur kompensieren, wenn es denn im Lokal-TV-Markt wirklich Geld zu verdienen gibt. Der gern zitierte Kölner Vorreiter Center TV bleibt zum Beispiel seit dem Start jede Veröffentlichung von Geschäftszahlen schuldig.

Das weiterhin hohe Interesse an lokalen Themen ist für NRW-Ministerpräsident Rüttgers im Übrigen auch ein Beleg für die Stärke und Zukunftsfähigkeit der Zeitung. Dass gerade lokale Themen, die sehr nah an den Menschen und Aktivitäten vor Ort ist, sich gerade mit Bewegtbild und Interaktion auch im Web gut umsetzen lassen, ist für Rüttgers offenbar kein Argument. Ohnehin - das Internet. Darin hat Rüttgers einen Schuldigen ausgemacht und warnt vor zu viel Euphorie gegenüber den neuen Möglichkeiten. "Immer mehr Informationen führen zu immer weniger Informationen", so der CDU-Politiker beim medienforum.nrw 2009. Und das führe auch zu fatalen Fehlern. Er zitierte am Montagvormittag den Vornamen-Skandal um Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg. Hier hätte sich Wikipedia als schlechte Quelle erwiesen, die dann zu Falschmeldungen geführt hat - "Wikipedia sei Dank", sagt Rüttgers.

Den Journalisten sei Dank, müsste es heißen. Denn die Überprüfung von Quellen gehört schon immer zum Grundhandwerk des Journalismus. Nicht Wikipedia ist also Schuld an dieser Falschmeldung - sondern Journalisten, die nicht sauber gearbeitet haben und das auch bei den Tageszeitungen, die sich trotz ihres vermeintlich höheren Qualitätsanspruchs als manches Nachrichtenportal im Internet, ohne Recherche haben täuschen lassen. Darunter auch Zeitungen wie die "taz" oder "Süddeutsche Zeitung", aber auch die in Rüttgers politischer Heimat Düsseldorf verbreitete "Rheinische Post". Sein Negativ-Beispiel für die neuen Gefahren für den Journalismus im Internet, ist in Wahrheit ein Negativ-Beispiel für schlechten Journalismus - egal auf welcher Plattform, egal mit welcher Quelle. Dem steht die Gleichung des NRW-Ministerpräsidenten, Journalismus gleich Print, entgegen.

medienforum.nrw

Beim Thema Gefahren kam Rüttgers auch nochmal auf eine schärfere Kontrolle von "Killerspielen" zu sprechen und zeigte sich beim Thema Internet als geistiger Bruder von Familienministerin Ursula von der Leyen. Er sprach sich dafür aus, dass generell umstrittene Websites nicht erst gesperrt werden, wenn ein Gerichtsurteil vorliegt. Hier will Rüttgers früher reagieren und sagt: "Jede Infrastruktur braucht ihre Straßenschilder". Ein irgendwie heiterer Vergleich, denn auch in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen laufen seit einigen Jahren schon diverse Pilotprojekte in denen gleich reihenweise unnötige reale Straßenschilder im Straßenverkehr abgebaut werden. Weil Regulierung zwar wichtig, Überregelierung aber kontraproduktiv oder gar gefährlich sein kann. Insbesondere, wenn sie von jemandem vollzogen wird, der eine sehr simpel gestrickte Schwarz-Weiß-Argumentation vertritt, wie es Rüttgers am Montag zur Eröffnung des medienforum.nrw bot.