Deutsche Welle © DW
Die Entscheidung der deutschen Medienaufsicht, dem russischen Staatssender RT DE Betrieb und Verbreitung zu untersagen, hat viel Staub aufgewirbelt. Als Retourkutsche verhängte Moskau ein Arbeitsverbot gegen Mitarbeitende der Deutschen Welle in Russland, das dortige Büro des deutschen Auslandssender musste schließen. Der Fall RT DE wandert nun vor Gericht, mit einer schnellen Entscheidung ist eher nicht zu rechnen. Doch nach DWDL.de-Recherchen muss sich jetzt auch die Deutsche Welle mit der deutschen Medienaufsicht befassen.

Und darum geht es: Es gibt Unklarheiten über den Umfang des Programms, das die Deutsche Welle (DW) in Deutschland anbietet. Ähnlich wie RT DE hat die Deutsche Welle keine deutsche Rundfunklizenz und würde sie aufgrund ihrer Finanzierung, das Budget kommt aus dem Staatshaushalt, auch nicht bekommen. Vergleichbar mit RT DE ist die Deutsche Welle trotzdem eher nicht, immerhin sendet man auf Grundlage des Deutsche-Welle-Gesetzes. Dadurch braucht der Sender theoretisch keine Sendelizenz. Ein Freifahrtschein ist das allerdings nicht. 

So heißt es unter § 3 des Deutsche Welle Gesetzes recht eindeutig: "Die Deutsche Welle bietet für das Ausland Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) und Telemedien an." Und nun steht die Frage im Raum, ob und wenn ja in welchem Umfang die Deutsche Welle sein Programm überhaupt hierzulande anbieten darf. So verbreitet der Auslandssender die verschiedensprachigen Programme unter anderem auf seiner Webseite und über die eigene App, hier übrigens auch auf deutsch. Den deutschen Livestream finden Interessierte auch auf Youtube. Den englischsprachigen, linearen Sender gibt’s unter anderem über MagentaTV und in der ARD-Mediathek zu sehen. 

Als DWDL.de die deutsche Medienaufsicht damit kürzlich konfrontierte, war die Aussage hinter vorgehaltener Hand zunächst eindeutig: Das geht so nicht. Doch dass die Deutsche Welle in Deutschland einen Piratensender betreibt, konnte sich auch niemand vorstellen, weshalb eine interne Recherche begann. Was macht die Deutsche Welle da? Und vor allem: Darf sie das? 

Das Ergebnis dieser Recherche: Die deutsche Medienaufsicht ist schon seit einiger Zeit mit der Deutschen Welle zu diesem Thema im Gespräch, bislang aber ohne konkretes Ergebnis. Die Ereignisse rund um RT DE haben nun aber den Handlungsdruck erhöht, denn die Medienhüterinnen und Medienhüter wollen den Eindruck vermeiden, dass der eine, vermeintlich gute Staatsfunk (Deutsche Welle) anders behandelt wird als der vermeintlich böse (RT DE). 

Medienanstalten kündigen Überprüfung an

Aus der Gemeinsamen Geschäftsstelle der Medienanstalten heißt es gegenüber DWDL.de, dass es der Auftrag der Deutschen Welle sei, Rundfunk und Telemedien "für das Ausland" anzubieten. Und weiter: "Hier kann es aus technischen Gründen eine Überstrahlung in das Inland geben. Zu Art und Umfang der Überstrahlung und deren Grenzen sind wir mit der DW im Gespräch." Mit Überstrahlung gemeint ist in der Regel die Tatsache, dass ein Kanal wie die Deutsche Welle sein Programm über bestimmte Wege für das Ausland verbreitet, das so aber auch in Deutschland gesehen werden kann. 

Auch bei der LPR Hessen haben wir um eine Stellungnahme angefragt, weil diese Landesmedienanstalt zuständig ist für die Aufsicht über die Telekom-Plattform MagentaTV, wo die Deutsche Welle mit einem englischsprachigen Kanal verfügbar ist. Eine Sprecherin der LPR Hessen betont, dass es sich bei der DW um einen in rechtlich zulässiger Weise veranstalteten Auslandsrundfunk handelt. Angebote dieser Art würden oft über Satellit verbreitet werden und seien so regelmäßig auch im Inland empfangbar. "Inwieweit dies auch zur Weiterverbreitung über inländische Medienplattformen/Kabelanlagen berechtigt, ist Gegenstand gemeinsamer Überprüfung der Landesmedienanstalten."

Die Medienaufsicht prüft also aktuell, ob die Deutsche Welle ihr Angebot via MagentaTV abrufbar machen kann. Interessant in diesem Zusammenhang ist wohl auch, dass der Sender in keinem größeren Kabelnetz in Deutschland zu empfangen ist. Und auch die Frage nach den Livestreams auf der eigenen Webseite bzw. in der App ist Gegenstand der Überprüfung. Hier geht es vor allem um den deutschen Livestream, der in Deutschland angeboten wird. 

Deutsche Welle sieht kein Problem

Bei der Deutschen Welle selbst sieht man keine Probleme in der bislang gelebten Praxis. "Aufgrund des DWG [Deutsche Welle Gesetz, Anm.] werden Fernsehen, Radio und Telemedien verbreitet und der Auslandsauftrag verbietet eine Verbreitung von fremdsprachigen Programmen an die Zielgruppe der sich vorübergehend in Deutschland aufhaltenden Ausländer genauso wenig, wie es durch die rundfunkrechtlichen Landesgesetze für die Verbreitung der deutschsprachigen Programme der ARD-Landesrundfunkanstalten und des ZDF im Ausland der Fall ist", heißt es von einem Unternehmenssprecher. 2015 wurde im Zuge der Flüchtlingskrise der arabische Kanal der Senderflotte ausgebaut und über Satellit in Deutschland verfügbar gemacht. Das war damals auch ein Angebot an die Menschen, die nach Deutschland flüchteten. 

Das erklärt aber nicht den deutschsprachigen Livestream, den die Deutsche Welle auf ihren eigenen Plattformen im Jahr 2022 anbietet. Dazu sagt der Sprecher, alle Angebote würden sich an ein Publikum im Ausland richten. "Dies dient unter anderem auch der Förderung der deutschen Sprache, wie im DW-Gesetz festgehalten. Durch die heute verfügbare digitale Technologie kann man diese Angebote weltweit abrufen." Ob dazu hierzulande aber auch der deutschsprachige Livestream verfügbar sein muss, oder nicht mit ein paar wenigen Einstellungen abgedreht werden könnte, ist eine Frage, mit der sich die Medienaufsicht beschäftigen wird müssen. Youtube hat es schließlich auch über Jahre hinweg geschafft, etliche Videos für Millionen deutsche Nutzer zu sperren, eben weil sie in Deutschland waren. 

Medienrechtlich ist der Fall kompliziert

Knackpunkt der ganzen Sache ist nun also, ob die Deutsche Welle als ein Sender für das Ausland auch berechtigt ist, in Deutschland zu senden. Und wenn ja, in welchem Umfang. Dass die Thematik erst durch die Entscheidung im Fall RT DE neu ins Rollen gekommen ist, hat auch mit der komplizierten Kompetenzverteilung zu tun. Die Landesmedienanstalten sind eigentlich nur zuständig für Aufsicht und Zulassung von privaten Angeboten - das ist die Deutsche Welle nicht. Geht es aber um die Verbreitung von Rundfunkangeboten im Inland, sind sehr wohl wieder die Landesmedienanstalten zuständig. Und sie wollen in ihren Entscheidungen konsistent bleiben. Einem russischen Staatssender wegen fehlender Lizenz den Betrieb untersagten und gleichzeitig den deutschen Auslandssender, der für Deutschland keine Lizenz besitzt und sich ganz klar an das Ausland zu richten hat, ohne Überprüfung weitersenden zu lassen, erzeugt ein schiefes Bild. Im März findet die nächste turnusmäßige Sitzung der Landesmedienanstalten statt, dort soll das Thema dann besprochen werden. 

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass sich die Medienaufsicht mit Rundfunkangeboten beschäftigt, die durch den Staat finanziert werden. Auch Museen, Konzerthäuser und andere Einrichtungen, die überwiegend von Geld aus dem Staatshaushalt leben, dürfen keine lineare Rundfunkangebote betreiben. Diese wurden in der Vergangenheit schon untersagt. Vor etwas mehr als zehn Jahren sorgte das TV-Programm des Bundestags zudem für Aufsehen, weil es nach Ansicht der Medienhüterinnen und Medienhüter zulassungspflichtiger Rundfunk war - später wurde das Angebot in der damals beanstandeten Form abgeschafft