Was für ein Dilemma - und im Nachhinein nicht einmal überraschend. Der WDR als federführender Sender sieht sich gezwungen, bei „Hart aber fair“ eine neue Lösung zu finden, weil man nicht mehr miteinander kann, der Moderator Louis Klamroth und die Redaktion der Produktionsfirma Ansager & Schnipselmann. Mehr als nur einmal wurde in den vergangenen Monaten neben inhaltlich schwankend relevanter Kritik an seinem Moderationsstil auch bemängelt, dass Klamroth im Grunde Plasbergs Sendung mache - und dabei selbst ohne Sakko und mit Hemd über der Hose alt aussehe. Die verunglückte Sendung am Montag dieser Woche war auch kein Ruhmesblatt.
Dass es nicht von heute auf morgen eine Revolution in der Sendung geben werde, das bekundeten im Vorfeld gleichermaßen Frank Plasberg wie auch Louis Klamroth. Es gelte schließlich zur Primetime am Montagabend ein Publikum mitzunehmen auf die Reise und nicht durch ein völlig verändertes Format zu verschrecken. Doch auf der Reise steckt das Format nun schon länger im Innovations-Stau fest und angesichts eines Dauerfeuers der Kritik, oft motiviert durch Klamroths selbst transparent gemachter Beziehung mit der polarisierenden Aktivistin Luisa Neubauer, ist von Harmonie und Einigkeit nicht mehr viel zu spüren. Im Angesicht von scharfer Kritik bröckelt die Einigkeit.
Ein Statement wie Sprengstoff. Es passt nicht mehr. Das lässt sich auch ohne viel Interpretationsbedarf zwischen den Zeilen lesen und das für den großen WDR doch etwas hilflose Wording legt darüber hinaus nahe: Es ist nicht der Sender, sondern Moderator und Produktionsfirma, die nicht mehr miteinander können. Besonders bitter: Ein halbes Jahr lang müsste man dann doch noch miteinander am Tisch sitzen, obwohl das Tischtuch nun zerschnitten ist. Eine kaum vergnügungssteuerpflichtige Situation für alle und ohne Schuldzuweisung eine tragische Situation.
Denn im vergangenen Herbst war der angekündigte Generationenwechsel bei „Hart aber fair“ noch ein kluger Schachzug des bisherigen Moderators und Produzenten Frank Plasberg, der in Kontrast zu so vielen anderen proaktiv eine Nachfolgelösung suchte und fand. Gegenseitige Wertschätzung war gegeben und öffentlich dokumentiert, doch die ersten Monate des leider gar nicht mal so neuen „Hart aber fair“ haben nicht nur dem Publikum, sondern auch hinter den Kulissen offenbart, dass es nicht so einfach ist wie gedacht. So wie einst Frank Plasberg seine Sendung gerne selber gestalten wollte, will das auch ein Louis Klamroth.
Und auch wenn sich auf DWDL-Anfrage am Mittwoch niemand dazu äußern will, ist es nicht schwer die Verbindung herzustellen: Es liegt nahe, dass Klamroth auch bei seinem Polittalk fürs Erste gerne so arbeiten würde, wie er es bisher getan hat - mit mehr Gestaltungsspielraum unter eigener Flagge, also mit Florida Factual. Insofern war das Dilemma eines Zusammentreffens von geerbter Redaktion und eines bislang stets selbst produzierenden Moderators bei „Hart aber fair“ letztlich doch absehbar.
Der Mob im Netz wittert bereits jubelnd den Untergang von Klamroth - und natürlich lässt das WDR-Statement auch die Option offen, „Hart aber fair“ über 2023 hinaus gar nicht fortzuführen. Doch es wäre bitter, wenn die völlig diffuse Gemengelage von Shitstorms unterschiedlichster Motivation reichen würde, um den Sender derart einzuschüchtern. Es gilt für den WDR wie auch Klamroth selbst, den Kern der berechtigten Kritik zu identifizieren und zu entscheiden, ob sich daran arbeiten lässt. Das müsste dann aber umgehend beginnen und nicht erst in einem halben Jahr. Ein Dilemma.