Irgendwie wirkt es noch immer surreal. Und das, obwohl Zee.One nun auf Sendung ist und der indische Mischkonzern Essel Group mit seiner TV-Tochter Zee binnen drei Jahren operativ schwarze Zahlen schreiben will: Ein ganzer Sender nur für Bollywood und das nicht in der Pay-TV-Nische, sondern als werbefinanzierter Kanal für den Massenmarkt. Die Ankündigung kam Anfang des Jahres sehr überraschend und auch an diesem letztlich trockenen Sommerabend in München mischt sich in die gebotene Höflichkeit dem einladenden Sender gegenüber eine gewisse Skepsis ob der deutsche Fernsehmarkt reif - oder besser gesagt - geeignet dafür ist.
An den großen Ambitionen ließ Zee.One jedenfalls keinen Zweifel: Gefeiert wurde im Dachgarten des Hotel Bayerischer Hof über den Dächern der Hauptstadt Bayerns, die nicht einmal eine Woche zuvor den furchtbaren Amoklauf erlebt hat. So räumt auch Senderchefin Friederike Behrends in ihren Grußworten zu Beginn des Abends ein: Man habe zwischenzeitlich überlegt, die Party abzusagen. Aber mit der positiv beschwingten Grundhaltung der meisten Bollywood-Filme und dem Slogan des TV-Konzerns Zee - „Die Welt ist meine Familie“ - wolle man lieber
nach Kräften positive Gefühle verbreiten. „Außerdem feiern wir ja, weil unser Sender nun mal heute startet“, so Behrends.
Amit Goenka, CEO International Broadcast Business, spricht beim Zee.One-Launch
Unnötig wirkte dann jedoch das Versprechen, dass dieser Abend selbstverständlich nicht unbeschwert unter dem Motto „I feel bolly good“ stehen könne - wenn nur Minuten später zu lautstarker Musik ausgelassen vorgetanzt wird. Ansteckend ist die gute Laune und scheinbare Hemmungslosigkeit des Tanzens im Bollywood-Stil ja schon. Aber wie so vieles, was ansteckend ist, ist man sich nicht so sicher, wie lange man es wirklich haben möchte. Auf eine nicht im entferntesten erhoffte Art und Weise sorgt die oftmals deprimierende Nachrichtenlage in aller Welt und bei uns allerdings für eine Chance von Zee.One: Man kann abtauchen in eine Welt, die weitgehend sorgenfrei wirkt.
In Zeiten von Terror und anderer nur schwer zu akzeptierender Probleme, steigt nun einmal die Sehnsucht nach Eskapismus. Wie viel Potential - gemessen in Quote - da für Zee.One drin steckt, bleibt abzuwarten. Bei Vermarkter Sky Media ist man aber guter Dinge: Das durchweg positive, harmlose Programmumfeld lässt sich gut vermarkten, weil Werbekunden keine qualitativ zweifelhaften oder aufgrund von Nachrichtenlagen negativen Umfelder fürchten müssen. Neben der indischen Gemeinde in Deutschland setzt Zee.One auch auf die vielen in Deutschland lebenden Türken, die inzwischen immerhin von der AGF-Quotenmessung mit berücksichtigt werden.
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Der Einladung zur Launchparty folgten neben den Plattform- und Geschäftspartnern sowie zahlreichen Vertretern der Essel Group auch zahlreiche Münchner Medienschaffende wie Katharina Behrends (NBC Universal), Schwester der deutschen Bollywood-Chefin, oder Rüdiger Böss (ProSiebenSat.1). Dazu deutsche Schauspiel-Prominenz. Stargast des Abends - und Markenbotschafter des Senders - war allerdings Bollywood-Star Shah Rukh Khan. Selten hat der Bayerische Hof eine so energische Fangemeinde vor der Tür erlebt, die auch oben auf der Dachterrasse noch lautstark zu vernehmen war.
Ein eigentlich in der Lobby des Bayerischen Hof geplanter Foto Call wurde kurzerhand aus Sicherheitsgründen nach oben verlegt, weil so mancher weibliche Fan beim Wissen der Nähe oder gar Anblick seines Idols in unberechenbare und laute Freude ausbrach. „Unsere Filme sind vielleicht etwas over-the-top, aber die meisten Bollywood-Filme werden gemacht, um einfach alle in der Familie zu erreichen“, erklärt Khan später auf der Bühne die vielleicht aus europäischer Sicht manchmal überfrachtet wirkenden Filme. Eine sympathische Einordnung des eigenen Wirkens.
Tanz-Darbietung beim Launch-Event des Senders Zee.One
„Es gibt aber auch die etwas stilleren, kleineren Produktionen. Die kommen dann eher dem europäischen oder amerikanischen Kino nahe“, ergänzt er und dankt für die deutsche Gastfreundschaft. Nicht wenige Bollywood-Streifen werden schließlich teilweise in Europa gedreht. „Immer wenn ich in Deutschland drehe, sind alle so wunderbar. Und alles ist so gut organisiert. Deutschland ist ein sehr produktionsfreundliches Land. Ich danke allen, die uns hier immer wieder mit offenen Armen empfangen.“ Und zum neuen Sender sagt er: „Zee.One hilft dabei, unser Kino, unsere Kultur in Teilen der Welt auf den Schirm zu bringen, die uns bislang noch nicht wirklich wahrgenommen haben.“
Als gegen 20.15 Uhr dann alle gemeinsam - der Stargast, die Zee-Führungskräfte und Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien - nach einem Countdown den symbolischen Knopfdruck zum Sendestart vollzogen, ließen der im Ablauf vorgesehene große Knall und das dann herabregnende Lametta für einige Momente auf sich warten. Auf Anhieb wollte da nichts zünden wie eigentlich geplant. Vielleicht war das ganz sinnbildlich für den Sender, denn wenn Zee.One mit dem Wagnis - frei empfangbarer Bollywoodsender in Deutschland - erfolgreich sein sollte, dürfte das auch nicht auf Anhieb, sondern wenn dann mit Verzögerung gelingen.