Acht Jahre war Bettina Reitz für Spielfilme und Serien beim Bayerischen Rundfunk zuständig, nach einem sehr kurzen Intermezzo bei der Degeto wurde sie Mitte 2012 Fernsehdirektorin des BR. In diesen Jahren hat sich ganz offensichtlich eine Menge Frust angestaut - den sie allerdings leider erst jetzt öffentlich macht, nachdem sie den Bayerischen Rundfunk verlassen hat, um ihren Posten als Präsidentin der Münchner Hochschule für Film- und Fernsehen anzutreten. In einem Interview mit der "Zeit" findet sie nun jedenfalls sehr deutliche Worte, wenn es um die derzeitige Verfassung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens geht.
"Salopp gesagt fühlte ich mich irgendwann wie eine Art Sterbebegleiterin des klassischen Fernsehens", sagt Reitz da etwa. Die Zukunft des Films und der Serien innerhalb des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sehe sie jedenfalls skeptisch. Schuld sei der Spardruck, unter dem viele ARD-Anstalten und das ZDF stünden. Die Budgets seien seit Jahren eingefroren, während die Kosten aber gleichzeitig stetig steigen würden. Dazu kämen immer höhere Belastungen durch Pensionen. "Leider kann man an gar nicht so vielen Positionen einsparen, sodass es am Ende das Programm trifft. So bitter das ist."
Doch sie konstatiert vor allem auch viele hausgemachte Probleme bei der ARD. "Man sollte die Kleinteiligkeit der Entscheidungen in einem Hörfunk- und TV-System wie der ARD nicht unterschätzen. Jeder agiert nach seinen Interessen, es gibt keine Gesamtstrategie", so das vernichtende Urteil. Dazu komme eine gewaltige Bürokratie, auch durch das Bemühen um Transparenz: "Wenn Youngster ihre Visionen beim Fernsehen unterbringen wollen, dann stoßen sie auf eine Wand von Kontrollinstanzen." Eine Strategie und Kreativität fehlte zuletzt vor allem der ARD offensichtlich auch, wenn es darum ging, jüngere Zuschauer zu erreichen. Da habe es vor allem auch im Serienbereich gehapert: "In diesem Bereich haben wir eine riesige Lücke hinterlassen, obwohl wir mit Serien wie 'Berlin, Berlin' oder 'Türkisch für Anfänger' mal ganz vorne lagen."
Auch könne man heute keinem Jugendlichen mehr erklären, wieso eingekaufte Serien und Filme nicht in der Mediathek abrufbar seien. Dabei sei "das klassische, lineare Fernsehen ein Auslaufmodell", wiederholt Reitz eine oft gehörte These. Auch wenn sie Deutschland ein "viel besseres öffentlich-rechtliches Fernsehen als in anderen Ländern" attestiert, sieht Reitz einen zunehmenden Spalt zwischen den Generationen. Das nun geplante junge Angebot kommt aus ihrer Sicht wohl schon fast zu spät und dürfe zudem ja nur online starten. "Die Jugend ist inzwischen längst von amerikanischen Angeboten 'erzogen' worden - und das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat sie verloren." Das Erste und das ZDF drohten zum "Seniorenfernsehen" zu werden. "Wird der Abgrund nicht überbrückt, dann wird das System auseinanderbrechen."
Das komplette Interview, in dem sich Bettina Reitz auch ausführlich zur Beziehung zwischen TV und Kino äußert, erscheint in der kommenden Ausgabe der "Zeit".