So ein Jubiläum bringt im Norden niemanden aus der Fassung. Eine erarbeitete Position der Stärke innerhalb der ARD erlaubt hanseatische Zurückhaltung. Während das WDR Fernsehen zum 50. Geburtstag mit seinen Innovationswochen völlig Kopf stand und sich dafür auch entsprechend laut zu inszenieren wusste, kommen 50 Jahre NDR Fernsehen eher ruhig daher. Vom kommenden Montag an feiert man in wohldosierter Form eine Woche lang mit einigen neuen Formaten und Specials bekannter Produktionen. „Unsere Redaktionen haben sich eine Menge einfallen lassen“, sagt NDR-Programmdirektor Fernsehen Frank Beckmann. Es gebe ein „Kaleidoskop vergangener Fernsehepochen bis heute - von informativ bis kurios, von wild bis witzig.“
Auch wenn es schon im Januar 1965 einen Probebetrieb gegeben habe, so falle das Jubiläum des Regelbetriebs des NDR Fernsehen auf den 20. September. „Wir wollen uns so auch zu diesem Anlass so zeigen, wie wir auch sonst erfolgreich Programm machen“, sagt Fernsehdirektor Frank Beckmann im persönlichen Gespräch in Hamburg. Als bundesweit erfolgreichstes Drittes Programm der ARD bestehe kein Grund zu Aktionismus. Ohne einmal vom WDR Fernsehen zu sprechen, dürfte der kollegiale Seitenhieb in Köln verstanden werden. Ein Highlight der Jubiläumswoche im NDR Fernsehen ist das Experiment „Die Müller & der Mädel glotzen TV“. Mit Chips und Getränken aus der Minibar kommentieren sie gemeinsam im Hotelbett Ausschnitte aus 50 Jahren NDR Fernsehen.
Weitere Rückblicke gibt es in diversen Formen. „Der Abend der Legenden“ ist eine Spezialausgabe von „Extra 3“, präsentiert von ehemaligen Gastgebern der Satiresendung wie u.a. Jörg Thadeusz. Die Naturfilm-Redaktion des NDR Fernsehens wiederum blickt auf „50 Jahre Wildnis im Wohnzimmer“, im Rahmen von „Sportclub Story“ geht es um 50 Jahre Sport im Norden und „Das Beste aus 50 Jahren Krimis“ sowie die „Nacht der norddeutschen Serien“ liefern eine fiktionale Zeitreise. Darüber hinaus blicken zahlreiche weitere Magazine und Formate des NDR Fernsehens in ihrem Regelprogramm auf das vergangene halbe Jahrhundert.
Besonders der Rückblick innerhalb der bestehenden Formate liegt Beckmann am Herzen. So schöpfe man aus den 50 Jahren NDR Fernsehen in erster Linie einen informativen Blick auf die Vergangenheit. „Der Informationsschwerpunkt liegt schließlich in unserer DNA“, sagt er. Zum Jubiläum hält er fest: „Nie war das Informationsangebot im NDR Fernsehen dichter als heute.“ Man setze - anders als andere Dritte Programme - an sechs von sieben Tagen der Woche um 20.15 Uhr auf Wissen und Information. „In allen Facetten“, schiebt Beckmann hinterher. Mehrfach lässt er im Gespräch über das Jubiläum eine Formulierung fallen: „Der NDR ist in sehr guter Form“.
Verpackt wird das Jubiläum mit vierzehn neuen Trailern der Imagekampagne „Das Beste am Norden“ mit u.a. Wotan Wilke Möhring, Hinnerk Schönemann und Ina Müller, die auch kürzlich 50. Geburtstag gefeiert hat. Sie bekommt als Verlängerung der Jubiläumswoche am 23. September auch noch ein neues Format im NDR Fernsehen. In „Ich mach Dir den Hof“ übernimmt sie eine Woche lang den Hof eines ostfriesischen Bauern-Ehepaars - inklusive aller Verpflichtungen und Konsequenzen. Unterstützung erhält sie von Oma und Sohn der Familie. Produziert wird „Ich mach Dir den Hof“ wie auch „Inas Nacht“ von Beckground.tv.
„Die Dritten sind in der Pflicht auszuprobieren“, sagt NDR-Fernsehchef Beckmann. Doch wo liegen die Prioritäten beim NDR? In der Versorgung des eigenen Programms oder der Zulieferung des ARD-Gemeinschaftsprogramms? Für ihn steht außer Frage: „Das Erste first.“ Mit „Quizduell“,“Gefragt, gejagt“, „Das ist Spitze“, „Extra 3“, „Inas Nacht“ und „Der Tatortreiniger“ habe der NDR in den vergangenen zwei Jahren maßgebliche Impulse für das Programm des Ersten geliefert. Das mache Innovation nicht zur Kür, sondern zur Pflicht: „Wir müssen ja nachlegen. Was einmal im Ersten läuft, hinterlässt bei uns einen Platz, den wir füllen müssen.“
Das nächste Format, welches sich für den Aufstieg ins Erste anbieten würde: Kai Pflaumes Quizshow „Kaum zu glauben“. Das von Jörg Pilawas Gameshow-Schmiede Herr P., Teil von Endemol Shine Germany, produzierte Format entwickelte sich in den vergangenen Monaten mit der zweiten Staffel zu dem Überraschungshit des Fernseh-Sommers. Um eine konkrete Aussage dazu drückt sich Beckmann noch und spricht lieber über den Wunsch nach dem nächsten Serienerfolg nach dem „Tatortreiniger“, der Ende des Jahres mit neuen Folgen zurückkehrt. „Wir können besser sein“, sagt Frank Beckmann mit allgemeinem Blick auf Serien aus Deutschland. „Da können und müssen wir nachlegen.“
Immer wieder aber, wenn er über Unterhaltung oder Fiktion spricht, dauert die Rückkehr zum Schwerpunkt Information nicht lange. „Das ist unsere DNA“, wiederholt er und sieht hier für die öffentlich-rechtlichen Anstalten Chancen im Storytelling über diverse Medienformen hinweg. Neben Radio und Fernsehen würde der NDR gerne auch mehr im Netz machen. Doch darüber muss zunächst die Medienpolitik entscheiden.