"Es ist definitiv Bewegung aufgekommen. Jetzt müssen wir weiter dranbleiben", lautete das aufmunternde Fazit von ZDF-Serien- und Koproduktionschef Wolfgang Feindt am Ende des Tages. Der Zustand der deutschen Serie - da waren sich alle Macher und Verantwortlichen beim "Großen Serien-Summit" von "Hollywood Reporter", MMC-Studios und HMR International einig - gibt mehr und mehr Grund zur Hoffnung.

Nach Jahren der Ankündigung stehen nun bereits abgedrehte oder noch in Produktion befindliche Projekte wie "Deutschland 83", "Weinberg", "Blochin" oder "Die Stadt und die Macht" für die von Feindt zitierte Bewegung im hiesigen Markt. Teilweise sogar für internationale Aufmerksamkeit wie etwa "Deutschland 83", das am 17. Juni seine US-Premiere auf SundanceTV feiert. "Wir müssen uns auf unsere Stärken und unsere eigenen Geschichten besinnen, dann kommt das Interesse aus dem Ausland fast von allein", so Peter Nadermann, Chef der Kölner Produktionsfirma Nadcon Film.

 

Wie ein roter Faden zog sich die Ermahnung zu mehr Genre-Vielfalt durch den Gipfeltag. TV-Experte Dietrich Leder, Professor an der Kölner Kunsthochschule für Medien, erinnerte daran, dass von "Raumpatrouille Orion" über "Monaco Franze" bis zu "Heimat" eine breite deutsche Tradition an Science-Fiction, Komödie, Familien- oder Gesellschaftsdrama bestehe. Es lohne sich, ein bisschen davon wieder hervorzukramen, um nicht allein der Krimi-Monokultur das Feld zu überlassen. Für die Öffentlich-Rechtlichen bezeichnete es WDR-Fiction-Chef Gebhard Henke als "Verpflichtung gegenüber dem Gebührenzahler", aktiv gegen die Programm-Verstopfung durch Krimis anzugehen.

Dass die Krimi-Dominanz freilich kein deutsches Phänomen allein ist, zeigten auch die Beiträge der Gipfelgäste aus Schweden und Großbritannien. "Ich wusste von Anfang an, dass ich nicht den nächsten typischen Scandi-Krimi machen wollte", erzählte Autor und Regisseur Henrik Björn über die Entstehung seiner erfolgreichen schwedischen Serie "Jordskott". Um das Genre zu variieren, fügte er ein starkes Mystery-Element hinzu, das aus seiner engen Naturverbundenheit herrührt und in der Serie als mystische Reaktion der Natur auf Umweltzerstörung zu Tage tritt. "Weil das ein völlig neuer Weg war, hat es etwas länger gedauert, das schwedische Fernsehen davon zu überzeugen", so Produzent Johan Rudolphie.

Europäische Gemeinsamkeiten in der Abgrenzung zur US-Serie hoben sowohl Cameron Roach, Acting Head of Drama bei Sky UK, als auch Jill Green, Chefin der Londoner Produktionsfirma Eleventh Hour Films, hervor. "Die großen US-Studios holen sich vermehrt unsere besten Köpfe von vor und hinter der Kamera und locken sie mit Summen, die wir nicht bieten können", sagte Green, die gerade mit der ITV-Psychothriller-Serie "Safe House" einen Hit gelandet hat. Sie warnte die europäische Branche auch vor überzogenen Hoffnungen gegenüber Netflix und Amazon. "Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, haben die gar kein Interesse an lokalen Entwicklungen, höchstens an Erst- oder Zweitlizenzen für die jeweils attraktivsten verfügbaren Stoffe", so Green.

Für die frisch zum europäischen Verbund zusammengerückte Pay-TV-Gruppe Sky werde der Schwerpunkt weiter auf jeweils unabhängiger Entwicklung in Großbritannien, Italien und Deutschland liegen, so UK-Manager Roach - bei gleichzeitig intensiverem Austausch über die vorhandenen Development-Projekte. "Wir haben es jetzt wesentlich leichter, uns zu Koproduktionen zusammenzutun, wenn es Sinn macht, aber jeder von uns kann frei darüber entscheiden", ergänzte Marcus Ammon, Fiction-Chef von Sky Deutschland.

Einblicke in den Entwicklungs- und Produktionsprozess von "Weinberg", dem neuen Mystery-Thriller-Sechsteiler für TNT Serie, gewährten Jan Kromschröder, Chef der Bantry Bay Productions, und Philipp Steffens, der zwar seit Frühjahr 2014 hauptberuflich RTL-Fiction-Chef ist, das Projekt aber noch mit seiner Produktionsfirma Twenty Four 9 Films angestoßen hatte. "Das Außergewöhnliche an 'Weinberg' ist die enorme kreative Freiheit, die der Sender uns gegeben hat, und das enge Vertrauensverhältnis zwischen allen Beteiligten", so Steffens.

Dies habe entsprechend hohe Motivation freigesetzt, den Kraftakt des angestrebten Top-Produkts trotz vergleichsweise kleinen Budgets bis in die aktuell laufende Postproduction zu stemmen, fügte Kromschröder hinzu. Auf die Frage, ob er vom "Weinberg"-Geist etwas in die RTL-Fiction übertragen könne, nannte Steffens denn auch "Vertrauen und Leidenschaft". Ansonsten wolle und müsse er dort natürlich neue Geschichten für ein breiteres Massenpublikum entwickeln.