105 Kameras befinden sich auf dem "Newtopia"-Gelände im brandenburgischen Königs Wusterhausen, doch seit Dienstagabend bekommen die Zuschauer keine frischen Bilder geliefert. Wer das Treiben in "Newtopia" im Livestream beobachten möchte, darf einen Blick in den Kuhstall werfen, der sich auf den zwei Hektar Land befindet, auf denen Sat.1 und die Produktionsfirma Talpa seit gut zwei Monaten ein Reality-Experiment wagen. Mehr gibt es nicht zu sehen. Bereits am Vormittag hatte der Sender erklärt, die Kameras wegen eines Produktionsmeetings zwischen der Verantwortlichen der Produktionsfirma Talpa und den Kandidaten abgeschaltet zu haben.
Aus "produktionstechnischen Gründen" sei es nicht möglich, die Gespräche im Livestream laufen zu lassen, hieß es in einem weiteren Statement, das Sat.1 am Nachmittag verbreitete. Wann die Livestreams wieder den Betrieb aufnehmen werden, ließ der Sender weiter offen. Klar ist, dass die Gespräche weiter anhalten. Schuld an der vertrackten Situation ist eine Revolte der Kandidaten, die das Konzept der Show - "die Chance auf auf ein selbst bestimmtes, vielleicht besseres Leben in einer Gesellschaft, die sie gestalten" - offensichtlich sehr wörtlich nehmen wollen.
"Momentan wird mit den Pionieren ein Weg besprochen, wie 'Newtopia' in Zukunft weitergeführt wird", ist auf der Website zur Show zu lesen, in der noch einmal an die Regeln des Formats erinnert wird. "Zu 'Newtopia' gehörte von Anfang an die Möglichkeit, dass jeden Monat neue Pioniere die Chance erhalten, nach 'Newtopia' zu ziehen und die neue Gesellschaft mitzugestalten. Einige Pioniere sehen das anders und werden 'Newtopia' verlassen." Wie das Ergebnis der stundenlangen Gespräche aussieht, war zunächst nicht zu erfahren.
Doch was war passiert? In den vergangenen Tagen hatten sich die Kandidaten von "Newtopia" zunächst geweigert, den ursprünglich mal vereinbarten Nominierungsprozess in die Tat umzusetzen. Später einigten sie sich darauf, die Zuschauer nach deren Meinung zu befragen - doch obwohl das Publikum eindeutig für eine Einhaltung der Nominierungs-Regeln votierte, ging die Diskussion unter den Kandidaten weiter. Aus diesem Grund ließ der Sender ihnen schließlich ein Schreiben zukommen, in dem noch einmal auf das Konzept verwiesen wurde.
"Wir respektieren Eure Bemühungen, Eure eigene, ideale Gesellschaft aufzubauen. Trotzdem habt Ihr alle vor Beginn dieses Experiments einer Regel zugestimmt. Diese lautet: In jedem Monat wird ein Pionier ausgetauscht", war in dem Schreiben zu lesen, das den Kandidaten zugleich ein Ulimatum setzte: Innerhalb von 48 Stunden sollte einer der Kandidaten ausgetauscht werden, lautete die Bedingung. Eine Entscheidung fiel zunächst nicht. Stattdessen eskalierte der Streit um die Nominierungen am Dienstag erneut, sodass sich die Produzenten abends dazu entschieden, aktiv einzugreifen - und die Kameras vorübergehend auszuschalten.
Was genau all das für die Zukunft des Formats bedeutet, ist angesichts der noch laufenden Gespräche völlig offen. Immer deutlicher wird allerdings, dass Talpa und Sat.1 das eigene Konzept gehörig unterschätzt haben. Tatsächlich sind die Kandidaten derzeit offenbar dabei, ihre eigenen Regeln zu definieren - ganz so, wie man "Newtopia" dem Publikum ursprünglich mal verkauft hat. "Es gibt keine Regeln, außer sie schaffen sie selbst", hieß es im Vorfeld der Show von Seiten des Senders. Dass dieser nun auf die im Vorfeld vereinbarte Nominierungsregeln pocht, mag aus Sicht von Sat.1 verständlich sein, führt das eigentliche Versprechen allerdings gewissermaßen ad absurdum. Ob der Sendung mit dem Auszug einiger Kandidaten geholfen werden kann, darf bezweifelt werden.