So simpel und doch so schwer: "Create new hits" steht als eine der wesentlichen Maßnahmen für 2015 auf den Strategie-Charts von Anke Schäferkordt. Wenn sie und ihr Co-CEO Guillaume de Posch bei der Finanzpressekonferenz der RTL Group eines klar gemacht haben, dann die Tatsache, dass es mehr denn je um Programminhalte geht. "Nur durch Experimentieren und Bereitschaft zum Risiko können die nächsten Hits zustande kommen", so Schäferkordt.
Zwar ließen sich die TV-Bosse in Frankfurt keine konkreten Zahlen für kommende Programminvestitionen entlocken. Dass es aber erheblicher Investments bedarf, wenn sowohl das Sender- als auch das Produktionsgeschäft weiter wachsen sollen, betonten sie gleich mehrfach. Wie berichtet, konnte die RTL Group ihre wesentlichen Kennzahlen 2014 stabil halten - aber eben auch nicht mehr. Manche Analysten sehen kein langfristiges Wachstumspotenzial mehr und geben entsprechend Verkaufsempfehlungen für die Aktie.
Dieser Ansicht widersprachen Schäferkordt und de Posch - wenig überraschend - vehement. So verwiesen sie auf den anhaltenden Trend, dass der TV-Anteil am Gesamtwerbemarkt in einer Reihe von europäischen Märkten steigt - darunter auch in Deutschland. Davon profitiere die RTL Group als marktführender Player überdurchschnittlich, ebenso wie von der erwartbaren Erholung der teils stark volatilen Werbemärkte und von steigenden Distributionserlösen.
Doch auf all diese äußeren Faktoren allein wollen sie sich nicht verlassen - und spätestens hier kommt das dringende Bedürfnis nach den nächsten großen Hits ins Spiel. Für Deutschland kündigte Schäferkordt als Investitionsschwerpunkte die Primetimes von RTL und Vox sowie die RTL-Daytime an. Letztere brauche dringend eine "Auffrischung und Stärkung", daher würden in den nächsten Monaten mehrere neue Formate ausprobiert. Um bei Vox die Abhängigkeit von US-Serien zu reduzieren, soll der Eigenproduktionsanteil von derzeit rund 60 Prozent deutlich steigen.
Sowohl für Deutschland als auch für die anderen europäischen Märkte ist laut Schäferkordt von einem verstärkten Fokus auf lokaler, eigenproduzierter Fiction auszugehen. Quasi zur Untermauerung gab es in Frankfurt einen Trailer des Paradebeispiels "Deutschland 83" zu sehen - die Serie erfreut sich schon Monate vor ihrer Ausstrahlung bei RTL eines internationalen Vertriebserfolgs. Um frische Erfolge schneller als bisher internationalisieren zu können, strebt Schäferkordt eine engere Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe an.
Die Bereitschaft zum Investieren gilt erst recht für das Sorgenkind FremantleMedia, das 2014 vom Ende der US-Version von "X Factor" und der Verkürzung von "American Idol" überdurchschnittlich gebeutelt war. "2015 ist bei Fremantle sicher ein weiteres Investment-Jahr, um vor allem ein lebendiges Primetime-Fiction-Geschäft aufzubauen", so de Posch. "In den nächsten Jahren erwarten wir im Produktionsgeschäft wieder deutliches Wachstum und halten mittelfristig eine Umsatzrendite von 10 Prozent für realistisch." Fremantle habe gegenüber anderen Produktionskonzernen den strategischen Vorteil, Teil der RTL Group zu sein, ergänzte Schäferkordt. "Wir können auf unseren Sendern genügend Platz schaffen, um neue Programmideen auszuprobieren."
Dass Fremantle angesichts der enorm beschleunigten Konzentration auf dem internationalen Produzentenmarkt - mit aktuellen Mega-Mergers wie dem von Endemol und Shine oder der beabsichtigten Übernahme von Talpa durch ITV - unter Druck geraten könnte, glaubt de Posch nicht. "Auch wir haben uns alle großen Deals, die in letzter Zeit auf dem Tisch lagen, sehr genau angeschaut und nach Prüfung zahlreicher Kriterien jeweils 'Nein, danke' gesagt. Wir würden eine größere Übernahme nicht prinzipiell ausschließen, aber wir sind da sehr selektiv." Talpa etwa habe für Fremantle angesichts der engen Partnerschaft mit Simon Cowell (u.a. "X Factor") keinen Sinn gemacht, weil man dann vor allem in "The Voice" und damit in dessen Erzrivalen investiert hätte.
Auch de Posch führte auf der Pressekonferenz einen Trailer vor, nämlich den zur nächste Woche beim US-Network A&E startenden Mystery-Serie "The Returned". Fremantle hat die weltweiten Streaming-Rechte außerhalb Nordamerikas gerade an Netflix verkauft und ist entsprechend stolz. Dass der Produktionsriese beim Einstieg in die US-Fiction noch vergleichsweise kleine Brötchen backen muss, zeigt ein Blick auf die Wertschöpfungskette: "The Returned" ist ein Remake der preisgekrönten französischen Serie "Les Revenants", deren Rechte beim Konkurrenten Canal+ liegen.