Am Samstagabend zeigte ProSieben die 50. Ausgabe von „Schlag den Raab“. Über die sozialen Netzwerke, etwa Twitter, wurde die Show wie gewohnt intensiv begleitet. Doch plötzlich schoss ein Hashtag in den Trending Topics an der ProSieben-Show vorbei: #freiheit. Mit zeitweise mehr als 700 Tweets pro Minute (TPM) ließ der Hashtag „Schlag den Raab“ (mit nicht einmal 50 TPM) weit hinter sich und dominierte das deutschsprachige Web.



Auslöser ist der 24-jährige Simon Unge, der mit seinen YouTube-Kanälen „ungespielt“ und „ungefilmt“ einer der erfolgreichsten deutschen YouTuber ist. In Zahlen: Beide Kanäle kamen zusammen auf mehr als zwei Millionen Abonnenten und rund 30 Millionen Videoviews im Monat. Doch den Erfolg gibt er jetzt zunächst einmal auf. Warum? Das erklärt Simon Unge in einem knapp 13-minütigen Video mit dem Titel „Die schwerste Entscheidung meines Lebens“ - und dem sehr pathetischen Hashtag.

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Seit Monaten schon habe er sich juristisch mit seinem ehemaligen YouTube-Netzwerk Mediakraft gestritten. Dem Unternehmen wirft Unge fehlende Unterstützung, das Löschen von Videos aber auch dubiose Geschäftspraktiken inklusive unverhohlener Drohungen vor. So sei ihm gedroht worden, ihn in die Privatinsolvenz zu treiben. Mediakraft ist ein sogenanntes Multichannel-Netzwerk (MCN), welche in der Rolle einer Art Plattenfirma in erster Linie die Vermarktung und darüber hinaus unterschiedlich definierte Unterstützung ihrer YouTube-Künstler organisiert.

Diese Bündelung der für traditionelle Medienunternehmen oft so schwer verständlichen YouTube-Szene macht MCNs zu attraktiven Übernahme-Objekten. Weltweit überbieten sich Medienunternehmen derzeit mit teils dreistelligen Millionenbeträgen, um Beteiligungen an MCNs zu erwerben. Dabei sein ist alles, doch Nachhaltigkeit interessiert dann selten. Das Ziel ist meist ein gewinnbringender Weiterverkauf, so dass sich die Strategie auf das Wort Wachstum reduzieren lässt. Ausnahmen - etwa kleinere, monothematische MCNs - bestätigen die Regel.

Simon Unges Video ist eine verfilmte Enttäuschung über diese Investoren-Fixierung der Wachstumsfanatiker unter den MCNs und ein Stück weit vielleicht auch ein böses Erwachen aus einer zu naiven Vorstellung von einem Netzwerk. Es ist ein emotionales Video in dem Unge sich bemüht den Sachverhalt zu erläutern und sich der offenbar tiefsitzende Frust dennoch auch in deftigen Worten ihren Weg bahnt. Zu konkret werden die Angaben nicht, weil er sonst neuen juristischen Ärger befürchtet.

Sein Video ist gleichzeitig die Ankündigung seines neuen, unabhängig von Mediakraft betriebenen YouTube-Channels, der bis Sonntagnachmittag bereits mehr als 390.000 Abonnenten hat - ohne dass ein Video veröffentlich worden wäre. Für das Kölner Unternehmen ist es nicht der erste prominente Abgang: Auch der YouTuber Florian Mundt alias LeFloid hat sich kürzlich enttäucht abgewandt - vergleichsweis leise allerdings. Am Samstagabend entstand, befeuert vom Szenario David gegen Goliath, ein enormer Shitstorm. Mediakraft schaltete kurzerhand Website und Facebook-Präsenz ab.

 

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Erst am Sonntagvormittag ein erstes Lebenszeichen: Auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de kündigt ein Pressesprecher telefonisch für die kommenden Stunden eine Stellungnahme an. Wenig später folgt ein ähnlicher Hinweis auch über den Twitter-Account von Mediakraft.

Abseits der konkrete Auseinandersetzung zwischen Simon Unge und Mediakraft spült der Vorfall eine ganz grundsätzliche Frage nach oben: Wem dienen die Multichannel-Netzwerke und woher kommt diese so unterschiedliche Auffassung über ihre Aufgaben? Die jüngsten Streitigkeiten zwischen YouTubern und ihren Netzwerken - die sich auch international beobachten lassen - sind das sichtbarste Zeichen einer YouTube-Szene, die durch zunehmende Professionalisierung zur erwachsenen Branche wird.

Diese Kommerzialisierung ist eine kritische Entwicklung, weil sie einerseits notwendig ist und doch innerhalb der Szene das Gefühl von Unabhängigkeit und Kreativität bedroht. Die Spielregeln dafür werden gerade erst definiert. MCNs sind derzeit schwer in Mode und der momentan beliebteste Versuch, diese Aufgabe zu übernehmen. Aber auch der richtige? Unges Abrechnung mit Mediakraft ist nicht nur eine Enttäuschung über aus seiner Sicht nicht eingehaltene Spielregeln. Es ist Kritik an den Spielregeln.

Simon Unge will sie für sich künftig wieder selbst bestimmen. Die junge Branche muss sich dennoch auch der Grundsatzdebatte stellen. Und für Mediakraft stellt sich die Frage, ob vielleicht nicht nur mögliche Investoren sondern auch die eigenen Partner zufriedengestellt werden müssen.

UPDATE: Um 16.36 Uhr verschickte Mediakraft eine ausführliche Stellungnahme, die wir an dieser Stelle (ebenso wie ja das Video von Simon Unge) zur Dokumentation einbinden.

"Der Videomacher Simon Unge, auf YouTube bekannt als „Ungespielt“, hat mit uns eine juristische Auseinandersetzung begonnen. Das bedauern wir sehr. Wir hätten uns gewünscht, diesen Streit auf andere Weise beilegen zu können.

Vor gut einem Jahr haben wir uns auf eine Zusammenarbeit geeinigt, mit klaren Vertragsregeln, die keine Fragen offen lassen. Wir halten uns daran und sind deswegen begeistert, dass wir zu einer Steigerung der Reichweite von rund zwölf Millionen auf bis zu 30 Millionen monatliche Videoabrufe und zu einem Zuwachs von einer Million Abonnenten seit Beginn der Partnerschaft aktiv beigetragen haben. Nun ist es so, dass Simon Unge einen gültigen Vertrag unterschrieben hat, der nicht einseitig aufgehoben werden kann.

Viele Leistungen, die wir Simon Unge angeboten haben (Zahlung sämtlicher Leistungen für den Besuch bei der VidCon in den USA, Finanzierung eines Roadtrip durch Europa mit befreundeten YouTubern, Hilfe bei der Organisation der Longboardtour) hat er ausgeschlagen.

Darüber hinaus ist es falsch, dass Mediakraft Networks “Ungespielt” bei der Longboardtour nicht unterstützt haben soll. Er hat ein Product Placement in fünfstelliger Höhe angeboten bekommen. Dennoch hat er – nicht vertragsgemäß - ein Vermarktungsangebot eines Wettbewerbers von Mediakraft angenommen.

Eine gleichzeitige Vermarktung über Dritte schließen wir nicht aus – sie muss aber in Absprache mit uns erfolgen und geregelt werden. Und das ist bei Simon Unge nicht passiert. Damit schädigt er das gesamte Netzwerk mit allen Mitarbeitern und Partnern. Mediakraft Networks hat eine Verantwortung für seine Mitarbeiter und seine Vertragspartner. Wenn unsere Verträge nicht eingehalten werden, würden wir unsere Geschäftsgrundlage in verantwortungsloser Weise gefährden. Den Weg vor Gericht hat “Ungespielt” eingeschlagen. Nun sind wir als Unternehmen gezwungen, diesen Weg mitzugehen.

Mediakraft als führendes Multi Channel Netzwerk in Deutschland investiert viel in seine Partner. Das ist die Basis unseres Geschäfts. Doch es gelten Regeln, an die sich alle Beteiligten zu halten haben. “Ungespielt” hat in seinem Video Kritik an Mediakraft Networks geäußert. Wir nehmen diese Kritik sehr ernst. Wir arbeiten tagtäglich daran die vielen Services, die wir unseren Partnern bieten, auszubauen. Wir helfen unseren Partner, Reichweite aufzubauen, damit sie eine langfristige Perspektive als Online-Videomacher haben können. Wir unterstützen bei Produktion und Kreation von neuen Inhalten. Wir schützen die Inhalte unserer Partner und wahren ihre Rechte auf den verschiedenen Plattformen. Auch “Ungespielt” hat von diesen Leistungen profitiert.

Zahlreiche Partner bekunden ihre Zustimmung zu Mediakraft und bedanken sich für die Unterstützung, die sie in unserem Netzwerk erhalten haben. Wir haben vielen Künstlern dabei helfen können, ihren Weg auf YouTube zu gehen und sich als erfolgreiche Entertainer zu etablieren. Diesen Weg wollen wir weitergehen. Wir stehen hinter unseren Partnern und werden sie weiter dabei unterstützen, mit ihrer Arbeit Millionen Zuschauer erreichen zu können.

Wir bedauern diesen Streit und hoffen auf ein schnelles, gütliches Ende.

Spartacus Olsson, CEO Mediakraft Networks"

Als Reaktion auf diese Stellungnahme twitterte Simon Unge nur wenige Minuten später:

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