Die Insolvenz des deutschen joiz-Ablegers hat eine neue Diskussion über die Quotenmessung in Gang gebracht. "Die klassischen TV-Umsätze sind klar unter den Erwartungen geblieben", erklärte Alexander Mazzara, CEO der joiz AG, am Dienstag und verwies nicht so sehr auf eigene Fehler, sondern vor allem auf eine angeblich ungenaue Erhebung der Zuschauerzahlen. "Joiz-TV-Formate genießen vor allem im Web und in den sozialen Medien eine hohe Relevanz, wie zum Beispiel die Präsenz unter den Top Ten der deutschen Twitter-Trends. Bedauerlicherweise kann dieser hohe Stellenwert bei der jungen Zielgruppe nicht in der Reichweiten- und Quotenmessung der GfK abgebildet werden", so Mazzara. "Damit fehlt uns in der Ausweisung durch die AGF/GfK die Reichweiten-Größe, die für die Vermarktung des Free TV-Senders und damit die Finanzierung notwendig sind."
Inzwischen hat die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) auf die Kritik reagiert. "Die Argumentation von joiz können wir nicht nachvollziehen", erklärte die Leiterin der AGF-Geschäftsstelle, Anke Weber, gegenüber dem Medienmagazin und betonte, das AGF-System sei "ein repräsentatives Forschungsinstrumentarium", das "höchsten methodischen und technischen Standards" folge. Alle Zielgruppen würden in dem System repräsentativ abgebildet. "Wenn Wanderungsbewegungen vom klassischen TV hin zu Streamingangeboten im Internet stattfinden, bilden wir dies ab."
Deutschland sei im Vergleich zu anderen Ländern, wie etwa dem joiz-Heimatmarkt Schweiz, ein extrem fragmentierter Fernsehmarkt. Das Wachstum kleinerer Sender gehe dabei zulasten der großen. "Das bedeutet aber auch, dass unter den Sendern ein erheblicher Wettbewerb um Zuschauer besteht. Andere Beispiele jüngerer Sender belegen jedoch, dass erhebliche Markterfolge erzielt werden können, wenn die Zuschauer Gefallen am jeweiligen Programm finden", so Weber, die den Verantwortlichen von joiz zugleich einen Ratschlag mit auf den Weg gibt: "Letztlich sollte man Resonanz in sozialen Medien auch nicht mit nach Standards der Marktforschung erhobenen Nutzungsdaten verwechseln."
Doch Kritik kam zuletzt nicht nur von joiz, sondern etwas überraschend auch von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, die mit Blick auf Messung und Verbreitungsbedingungen von einer Benachteiligung für innovative Anbieter sprach. Der Fall joiz solle ein "Weckruf für die gemeinsamen Organe KEK und ZAK der Medienanstalten" sein, mahnte mabb-Direktor Hans Hege in dieser Woche. Dass die mabb die Argumentation von joiz aufgenommen hat, habe die AGF jedoch "durchaus verwundert", sagte Anke Weber. Verschiedene Themen wie Reichweitenmessung für unterschiedliche Medien seien mit verbreitungspolitischen Themen vermengt worden.
Weber: "Bezüglich des Vorwurfs der Benachteiligung innovativer Anbieter gelten die gleichen methodischen Argumente wie bereits für joiz ausgeführt. Leider sind darüber hinaus die Aussagen der mabb, dass die Messsysteme für Radio- und Fernsehprogramme von großen öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltergruppen dominiert werden unzutreffend." Die Institutionen der deutschen Medienforschung, wie AGF oder agma, die die marktanerkannten Daten zu Mediennutzung ermitteln, würden dagegen in allen werberelevanten Aspekten von den Vertretern der Werbewirtschaft gesteuert und kontrolliert, betonte die Leiterin der AGF-Geschäftsstelle.
Zugleich stellte sie klar: "Grundprinzip dieser Forschungsinstrumente ist die objektive und neutrale Messung der Mediennutzung und der diskriminierungsfreie Zugang aller Anbieter zu diesen Messinstrumenten." Die Kritik an der Quotenmessung ist jedoch nicht neu und wurde in der Vergangenheit auch vom Pay-TV-Sender Sky immer wieder geäußert. Zwar lobte Martin Michel, Geschäftsführer des Sky-Vermarkters Sky Media Netzwork, die AGF vor über einem Jahr im DWDL.de-Interview als "stärkste Währung und Messung von Fernsehreichweite weltweit" und ergänzte: "Wenn wir uns die Qualität der Daten in anderen Märkten anschauen, dann sind diese Lichtjahre von unserer Einschaltquoten-Messung entfernt, wenn sie denn überhaupt funktioniert." Allerdings würden bei vielen Sky-Sendern Null-Reichweiten ausgewiesen, weil die Fallzahlen zu klein seien, so Michel.
"Die Frage wird sein, inwieweit man zukünftig statt einem begrenzten Panel mit 5000 Teilnehmern durch neue technische Möglichkeiten tatsächlich jeden einzelnen Zuschauer erfassen kann." Weil die Zuschauerzahlen in Sportbars nicht erhoben werden, ist Sky inzwischen dazu übergangen, diese zusätzlichen Reichweiten selbst zu messen, um sie besser vermarkten zu können. Kritik kam im Sommer auch von Motorvision-TV-Chef Raimund Köhler. Die Struktur des GfK-Panels bereite seinem Sender Kopfschmerzen, sagte er gegenüber DWDL.de. "Wir sprechen über eine sehr geringe Zahl an Haushalten, an Hand derer diese Messwerte überhaupt generiert werden. Das ist wenig repräsentativ und bringt eine extrem große Schwankungsbreite mit sich, die es schwer macht, bei den Mediaagenturen entsprechende Überzeugungsarbeit zu leisten." Kaum zu glauben also, dass die Diskussion über die Erfassung der Zuschauerzahlen ein schnelles Ende finden wird.