Wenn man in der ARD versuchen will, der aktuellen Aufregung um die Bewerbung der neuen Themenwoche Toleranz (Motto: "Anders als du denkst") einen positiven Aspekt abzutrotzen, bietet sich nur ein schwacher Trost an: Was bei Privatsendern möglicherweise nur noch mit einem resignierten Kopfschütteln wahrgenommen worden wäre, wird der ARD zum Vorwurf gemacht. Weil man dann doch noch mehr von ihr erwartet. So wie auch Grünen-Politiker Volker Beck, der am Mittwoch zusammen mit Raul Krauthausen (Sozialhelden e.V.), Mekonnen Mesghena (Leiter der Abteilung Diversity und Migration der Heinrich-Böll-Stiftung) und Sidonie Fernau (Bundesvorstand vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V.) einen offenen Brief an die ARD formuliert hat. Gemeinsam stoßen sich die vier Unterzeichner an der Frage nach Toleranz statt Akzeptanz und stellen fest: „Die Kampagne der ARD fühlt sich an wie ein kalter Wind aus Russland.“
Stein des Anstoßes: Die Plakate zur ARD-Themenwoche Toleranz
Dem Brief vorangestellt ist ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe. „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen“, heißt es da. Der Brief wie auch die seit Tagen anhaltende öffentliche Empörung in sozialen Netzwerken, kritisiert scharf, dass durch die Plakatkampagne zur Themenwoche Menschen aufgrund unveränderlicher Merkmale in ihrer Existenz in Frage gestellt werden. Der Brief arbeitet auch heraus, dass es nicht um die Frage gehen sollte, ob man etwas toleriert sondern wie man miteinander umgeht. Nicht ob man Minderheiten einbeziehen soll, sondern wie man Inklusion gestaltet. Genau diesen Aspekt begrüßen auch eine Redakteurin und zwei Redakteure, die an der ARD Themenwoche Toleranz beteiligt waren - und sich am Mittwoch telefonisch und per eMail ans Medienmagazin DWDL.de gewendet haben.
Sie wollen nicht genannt werden, aber ihren Unmut kund tun. Ihr Mitwirken an der ARD Themenwoche Toleranz haben wir überprüft. Es ist später Mittwochnachmittag bzw. früher Abend als sie sich melden. Also nachdem Dr. Hans-Martin Schmidt, verantwortlicher Koordinator der ARD-Themenwoche Toleranz, sich aufgrund der lautstarken Kritik in einer am Mittwoch verbreiteten Stellungnahme rechtfertigt. Darin heißt es u.a.: „Die Kritik nehmen wir selbstverständlich ernst. Wir haben mit den Plakaten anscheinend einen Nerv getroffen. An den Aussagen auf den Plakaten soll sich der Betrachter reiben. Intolerantes Verhalten wird oft von Äußerlichkeiten und Vorurteilen geprägt. Genau damit spielt die Kampagne. Wir wollen zur intensiven Diskussion anregen und zum Nachdenken über eigene Haltungen und Vorurteile. Eine gewisse Provokation haben wir dabei in Kauf genommen, jedoch sollte sich niemand persönlich verletzt fühlen.“
"Methoden, die der ARD früher fremd gewesen wären"
„Eiskalt einkalkuliert“ gewesen sei diese Aufregung, weil die Kampagne nur ein Ziel gehabt hätte: Vor der Ausstrahlung der ARD Themenwoche Toleranz das Thema in die Medien zu bringen. Ein zunächst einmal nachvollziehbarer Wunsch, umgesetzt jedoch mit fragwürdigen Mitteln. Mit unverhohlenem Sarkasmus gratulieren die drei Redakteure der ARD zu diesem Erfolg. Neben der inhaltlichen Ebene geht es Ihnen um Kritik an der ganz bewusst gewollten Publicity - eine effekthascherische Taktik, die man sonst nur von Privatunternehmen kennt. Es gehe „um Methoden, die der ARD früher fremd gewesen wären“. Und mit Anspielung auf Schmidts Stellungnahme merkt eine Redakteurin an, dass es nicht einmal eine echte Entschuldigung sei, wenn man sich unverhohlen freue, „einen Nerv getroffen“ und eine Debatte angestoßen zu haben.