Erinnern Sie sich noch an die Jahrtausendwende? Damals war reichlich Bewegung auf dem Kölner Zeitungsmarkt - so viel, dass später gar vom "Kölner Zeitungskrieg" die Rede war. Auslöser war seinerzeit die Zeitung "20 Minuten", die kostenlos verteilt wurde und sich an eine junge Leserschaft richtete. Springer und DuMont reagierten ihrerseits mit ähnlichen Angeboten. Mit der Folge, dass "20 Minuten" sowie "Köln Extra" und der "Kölner Morgen" nach einiger Zeit wieder vom Markt verschwanden. Nun, viele Jahre später, gibt es in Köln jedoch wieder eine Zeitung für junge Leute. Diese soll jedoch nur zum Start kostenlos zu haben sein und später 50 Cent kosten.

"Xtra" heißt das von DuMont herausgegebene Blatt, das 28 Seiten umfasst, im handlichen Tabloid-Format erscheint und sich in seiner Gestaltung "an der Ästhetik der digitalen Welt" orientieren soll. Die Formulierung klingt so, als wolle da ein Verlag verzweifelt den Veränderungen hinterherlaufen, die die Medienwelt in den vergangenen Jahren mit sich brachte. Tatsächlich erfordert es aber zunächst mal Mut, in einer Zeit, in der den traditionellen Print-Häusern immer mehr Leser abhanden kommen, auf eine neue Zeitung zu setzen. Aus Papier! Zum Anfassen!

Fraglich ist allerdings, ob "Xtra" auf Dauer genügend Käufer findet, die dazu bereits sind, die Zeitung für 50 Cent zu kaufen. Die Ansprache - "ihr" statt "Sie" - kommt zwar jung daher, ist alleine aber ebenso wenig ausschlaggebend wie die frische Optik, die man "Xtra" durchaus attestieren kann. Bunt kommt das Blatt daher, mit vielen kleinen und großen Bildern. Und vor allem mit vielen Quadraten. Das macht es mitunter etwas schwierig, die Übersicht zu behalten. "Wir wollen euch Lust machen, eure Stadt neu zu entdecken", verspricht Redaktionsleiterin Stefanie Monien in der Premieren-Ausgabe und findet die eigene Zeitung "Xtra-spannend". Den Lesern wünscht sie folgerichtig "eine Xtra-Portion Spaß". Das wirkt, freundlich formuliert, ziemlich bemüht.

Tatsächlich weiß "Xtra" mit Blick auf die versprochenen Ausgeh- und Konzerttipps für den Abend zu überzeugen. Der Überblick ist kompakt und gut, doch letztlich gibt es dort kaum mehr Informationen als man durch einen schnellen Besuch von "Prinz.de" im Netz erhält. Im Bereich "Kölnleben" hat es sich die Redaktion offenbar zur Aufgabe gemacht, den Lesern neue Seiten der Stadt näherzubringen. Herausgekommen sind ein kurzer Bericht über einen Barkeeper, der gerade so etwas wie den Oscar der Bar-Szene gewonnen hat, und ein Mini-Text über den vermeintlichen Lieblingsort der "Xtra"-Macher, nämlich eine Straßenecke, in der "kein Flanieren angesagt" ist, "sondern Schluffen".

Erkenntnisgewinn? Eher nicht. Dabei müsste dieser Teil doch eigentlich eine der großen Stärken sein, will man nah dran sein an der jungen Zielgruppe. Den aktuellen Nachrichten gelingt das mit der Erstausgabe bisher ebenfalls noch nicht so recht. Da wird noch einmal über den 4:0-Sieg der Dortmunder berichtet, den vermutlich auch all jene Studenten mitbekommen haben dürften, die erst kurz vor "Xtra"-Erscheinen am Nachmittag aufgewacht sind. Ähnlich verhält es sich mit den "Kölnnews", die die Rettung einer Familie aus der Rhein-Seilbahn zum Thema macht - zwei Tage nach dem Beinahe-Unglück, über das die gerettete Familie bereits am Mittwoch auf einer Pressekonferenz sprach. Die "Worldnews" machen ebenfalls mit einem Thema von gestern auf - dem Attentat im kanadischen Ottawa.

Und dann wäre da noch das große Aufmacher-Thema: 500 Kölnerinnen und Kölner zwischen 18 und 40 Jahren hat "Xtra" im Netz gefragt, wie sie leben möchten. Kurz und knackig werden die Ergebnisse dargestellt, hinzu kommen einige Grafiken, die das Leben der "hippen Spießer" veranschaulichen sollen. Das ist ganz interessant zu lesen, aber letztlich nicht gerade ein Kaufgrund, weil allenfalls an der Oberfläche gekratzt wird. Für die Frage, ob Ello das bessere Facebook ist, gilt das noch viel weniger. Letztlich bleibt nach Betrachten der ersten Ausgabe das ungute Gefühl, dass eine Tageszeitung für diese Inhalte womöglich nicht das richtige Format ist. Wer am Nachmittag wissen möchte, was los ist, wird in "Xtra" jedenfalls kaum zufriedenstellende Infos finden.

Den Vorteil, auf Nachrichten vom Tage schnell zu reagieren, hat die Zeitung, die zumindest ein Stück weit wie ein Gratisblättchen daherkommt, jedenfalls erst mal nicht genutzt. Schwer vorstellbar, dass der Griff zu "Xtra" den auf Smartphones ständig verfügbaren Infos wirklich etwas entgegensetzen kann. Dafür bräuchte es vor allem mehr Tiefe. Die wird durch die tägliche Schlagzahl aber wohl nur schwer zu erreichen sein.