Lutz Schüler, CEO des Kabelnetzbetreibers Unitymedia KabelBW, steht eigentlich nicht im Verdacht, ein Pessimist zu sein. Die Perspektiven seines Konzerns in der vernetzten, digitalen Welt malt er gern rosig aus. Und doch steht für ihn eines fest, wenn er auf IT-Giganten wie Microsoft zu sprechen kommt: "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Android ein vorherrschendes Betriebssystem auf unseren TV-Geräten sein wird. Trotzdem machen wir hier in Deutschland noch sehr kleinteilig rum", so Schüler diese Woche auf dem Bewegtbildkongress TV Komm in Karlsruhe.
Was er mit dem "kleinteiligen Rummachen" meint, sagte er auch: dass man die geplanten Video-on-Demand-Plattformen "Amazonas" und "Germany's Gold" kartellrechtlich verboten oder die Übernahme von KabelBW durch Unitymedia unnötig erschwert habe. Oder auch, dass es bei der Einführung der Unitymedia-Plattform "Horizon" unter den TV-Sendern "viele Reichsbedenkenträger" gegeben habe, die aus Prinzip erst einmal skeptisch gewesen seien. Schülers bitterer Befund: "Jetzt warten wir in Ruhe darauf, dass der Weltmarktführer Netflix einreitet und alles plattmacht."
Dass Schüler mit seiner Sorge nicht allein dasteht, zeigte sich in Karlsruhe an den Reaktionen der Vertreter von Privatsendern und Medienaufsicht. Wenn auch mit jeweils unterschiedlichen Nuancen in der Bewertung, scheint ein drohender Kontrollverlust für die deutsche Branche Konsens zu sein. "Wir haben bisher nur die EPGs der Kabelnetzbetreiber daraufhin kontrolliert, ob sie Chancengleichheit gewährleisten", so Thomas Langheinrich, Präsident der LFK Baden-Württemberg. "Jetzt kommen Samsung & Co. und es stellt sich die Frage, wie man als Programmveranstalter auf deren Smart-TV-Systeme gelangt. Die Gerätehersteller haben sich bisher zwar immer so geriert, als ob sie keinen Einfluss nähmen. Aber in Wahrheit können natürlich auch Geräte ausgrenzen." Bislang sei die Regulierung darauf nicht ausgerichtet, hier müsse der Gesetzgeber im europäischen Kontext nachbessern, so Langheinrich.
Beim Thema TV-Gerätehersteller redete sich auch Claus Grewenig, Geschäftsführer des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), in Rage. Es sei erschreckend, wie wenig in dieser Frage bislang passiert sei. "Bei den Werberichtlinien gibt es viel zu viel Regulierung, bei Zugang und Auffindbarkeit dagegen viel zu wenig", befand der Privatsender-Lobbyist. Er hoffe nun auf die Große Koalition und auf die für Ende 2014 geplante Bund-Länder-Kommission, um die Zugangs- und Vielfaltssicherung aus der "nischenpolitischen Ecke" herauszuholen. Zu "Amazonas" und "Germany's Gold", den vom Bundeskartellamt untersagten VoD-Vorhaben der Privaten und Öffentlich-Rechtlichen, sagte Grewenig: "Wir hätten zwei deutsche Plattformen haben können - jetzt haben wir keine."
Dass die Bedenken der Branchenvertreter nicht aus der Luft gegriffen sind, verdeutlichte auf der TV Komm auch Michael Schidlack, Bereichsleiter Consumer Electronics des IT-Verbands Bitkom. Schon nächstes Jahr seien nach einer Studie von Bitkom und IHS mehr Smartphones und Tablets in den Haushalten vorhanden als Fernsehgeräte. "Die Konsumenten gewöhnen sich an die Bedieneroberflächen dieser Geräte", so Schidlack. "Aus unserer Sicht ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann die Oberflächen der TV-Geräte und Set-Top-Boxen sich an denen der Tablet Computer orientieren. Dann wäre Live-TV eine von mehreren gleichwertigen Optionen. Wir nennen das den 'Reverse-Red Button' - lineares TV ja, aber nicht mehr als Standard, sondern erst auf besonderen Knopfdruck." Mit anderen Worten: ein Zustand, den vor allem die Sender fürchten wie der Teufel das Weihwasser, gegen den sie jedoch aus heutiger Sicht wenig ausrichten können.