Einen gelungenen Einstand beim "Spiegel" kann man Wolfgang Büchner sicherlich nicht attestieren. Ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt geht der Chefredakteur allerdings in die Offensive. Einem Bericht der "Berliner Zeitung" zufolge will Büchner die Stelle eines geschäftsführenden Redakteurs schaffen, der sich um das "Projekt Eisberg" kümmern soll. Es geht dabei um eine bessere Zusammenarbeit zwischen Print und Online. Laut "Berliner Zeitung" wird Rüdiger Ditz für diesen Posten gehandelt. Er ist bereits als Büchners Co-Chefredakteur bei "Spiegel Online" tätig. In einem ausführlichen Interview mit dem Brachendienst "Horizont" hat Büchner unterdessen über seine Ziele beim "Spiegel" gesprochen. "Wir werden den Beweis führen, dass Qualitätsjournalismus auch digital dauerhaft erfolgreich sein kann. Das ist mein Auftrag hier als Chefredakteur", sagte Büchner.
Eines der Ziele sei die Überführung der Online-Leser in die Bezahlwelt. "Wir wollen starke Angebote für den Print- und Digital-'Spiegel' sowie für das rein werbefinanzierte 'Spiegel Online'. Deshalb müssen sich beide Produkte klarer als bisher unterscheiden. Dazu gehört, dass wir auf der Site offensiver auf die Zusatzangebote des 'Spiegel' aufmerksam machen." Die Choreographie gelinge am besten, "wenn beide Redaktionen möglichst eng zusammenarbeiten, vertrauensvoll über Rechercheergebnisse reden und gemeinsam für Heft und Website planen." Eine Zusammenlegung der Redaktionen wird es zwar auf absehbare Zeit nicht geben, aber "als Chefredakteur kann man es als Fernziel für sinnvoll halten, dass beide Produkte aus einer Redaktion heraus entstehen", so Büchner im "Horizont"-Interview. "Ich glaube, diese Frage beantwortet sich im Laufe der Zeit von selbst." Im Berliner Büro funktioniere die Zusammenarbeit "schon ganz hervorragend".
Kritiker, die ihn eher als Redaktionsmanager sehen und weniger für einen publizistischen Kopf, entgegnet Büchner: "Um als Chefredakteur erfolgreich zu sein, kann man das heute nicht mehr trennen." Er mische sich "selbstverständlich" auch inhaltlich ein. "Aber gerade beim 'Spiegel' sollte man nicht versuchen, den Ressortleitern und Redakteuren bei ihren Themen die Welt zu erklären oder anstelle dieser Fachleute in Talkshows den Allwissenden zu geben. Ein Dirigent muss seinen Musikern auch nicht erklären, wie sie ihr Instrument zu spielen haben." Wolfgang Büchner verteidigte indes die Einstellung des ehemaligen "Bild"-Mannes Nikolaus Blome, die im vorigen Jahr für viel Verstimmung sorgte. "Die Einstellung von Nikolaus Blome war und ist richtig", sagte der Chefredakteur. "Natürlich bedauere ich die Auseinandersetzungen damals. Um aber zu erklären, was im Procedere unglücklich gelaufen ist, müsste ich vertrauliche Gespräche wiedergeben. Und das möchte ich nicht."
Dass es kürzlich Kopfweh und Computerspiele auf den "Spiegel"-Titel schaffte, verteidigte Büchner ebenfalls: "Die Game-Kultur ist ein gesellschaftlich relevantes Phänomen, ebenso wie die Volkskrankheit Kopfschmerz. Hier ging es um den Stand der Forschung und nicht um die zehn besten Heiltipps", so Büchner, der zugleich einen Seitenhieb in Richtung der Kollegen vom "Focus" parat hat, "weil Nutzwert ja tatsächlich nicht unsere Domäne ist." Im Interview mit "Horizont" bestätigte Büchner außerdem, dass die "Spiegel"-Redaktion zum Jahresende kleiner sein werde. "Wir besetzen nicht jede Stelle, die frei wird, automatisch nach." Die Redaktion sei aber "nach wie vor in allen Ressorts hervorragend besetzt. Und wir stellen unverändert neue Journalisten ein."