Dumping-Preise, diktierte Bedingungen, massive rechtliche Benachteiligung sowie Verträge, mit denen freie Kameraleute künftig unterhalb jeder Kostendeckung arbeiten müssten - die Liste der Vorwürfe des Bundesverbandes der Fernsehkameraleute ist lang. Sie richten sich gegen die RTL-Tochter InfoNetwork, verantwortlich für die Informations- und zunehmend mehr Infotainment-Programme bei den Sendern der Mediengruppe RTL Deutschland. In einer nüchternen, aber umso eindringlicheren Pressemitteilung beklagt der Verband unter der Überschrift "Friss oder stirb! Dumping-Preise bedrohen freie Kameraleute von RTL/InfoNetwork" neue Vertragsbedinungen, die ohne Verhandlungen von Sender-Seite diktiert worden seien.
Schon diese Form stört den Verband, doch zwei wesentliche inhaltliche Punkte werden beklagt. Verhandlungsbemühungen von Verbandsmitgliedern seien demnach von vorn herein abgewiesen worden. Wer den neuen Vertrag von RTL/InfoNetwork nicht unterschreibt, wird einfach nicht mehr gebucht. Doch die Konditionen würden eine Unterschrift für viele freie Kameraleute fast unmöglich machen. So soll etwa die Haftung für alle Risiken massiv auf die Dienstleister übergehen, es drohen saftige Konventionalstrafen und statt freier Angebots- und Preisgestaltung wird ein Preisdiktat auf dem Level von vor fünfzehn Jahren erhoben - und das obwohl neue technische Standards hohe Investitionen von freien Kameraleuten erforderten.
Der BVFK warnt in seiner Mitteilung: Eine typische Produzentenhaftung kann nicht von einzelnen Kamerateams geschultert werden. Das gehe weder arbeitstechnisch, noch ist das Risiko im Teampreis abbildbar. Statt eines überfälligen Inflationsausgleichs sollen die Teampreise sogar noch reduziert werden und dies, obwohl die Mediengruppe RTL Deutschland Rekordgewinne einfährt. Der von InfoNetwork diktierte Preis sei weder marktgerecht noch sozialverträglich. Und man mahnt langfristige, negative Folgen an. "Was aus dem überzogenen Drehen an der Kostenschraube am Ende resultiert, können sich weder die Senderfamilie, noch die Kameraleute leisten", heißt es wörtlich im Schreiben des BVFK.
Werden Angebotspreise nicht mehr auf dem Markt tariert, sondern auf Dumping-Niveau diktiert, entstünden auf beiden Seiten schmerzhafte Lücken - und logischerweise auch ein sichtbarer Qualitätsverlust, so die Befürchtung des Verbandes. "Wir fordern im Interesse aller Kameraleute eine Aufnahme von vernünftigen Verhandlungen und bieten an, diese konstruktiv zu begleiten", erklärt BVFK-Vorstandsmitglied Gerald Fritzen. "Wir können beispielsweise darlegen, wie sich eine realistische Kalkulation zusammensetzt. Außerdem kennen wir die Problematik einseitig ausgelegter Verträge aufgrund einer Vielzahl von Problemfällen."
Fritzen ist bemüht, auch Verständnis für die Senderseite so signalisieren: "Wir verstehen die anspruchsvolle Aufgabe der Senderfamilie, hohe Qualität zu liefern und gleichzeitig hohe Gewinne zu machen. Allerdings sehen wir die Anbieter in einer hochroten Gefahrenzone. Nicht zuletzt wären die Auswirkungen auf den Markt gleichermaßen desaströs. Es ist nicht primär unsere Aufgabe, die Honorare für unsere Mitglieder zu verhandeln. Wir möchten mit unserer Expertise aber zu annehmbaren Vertragsbedingungen und der dafür nötigen Augenhöhe beitragen. Eine Zusammenarbeit, die auf Angstmache und Einschüchterung basiert, sehen wir in mehrerer Hinsicht als sehr problematisch an."
Ein Sprecher der RTL-Tochter infoNetwork zeigt sich am Dienstagmittag auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de erstaunt über die Pressemitteilung des Bundesverbandes der Fernsehkameraleute. "Wir sind über die Pressemitteilung des BVFK erstaunt. In unseren Vereinbarungen haben wir Vergütungen nicht reduziert, sondern beibehalten oder angehoben. Darüber hinaus haben wir allen Beteiligten Gesprächsbereitschaft signalisiert und mit vielen bereits individuell verhandelt", erklärt er gegenüber DWDL.de und kündigt an: "Weitere Gespräche werden derzeit geführt."