Dass dieses Format ungewöhnlich und mutig ist, lässt sich schon an einer Tatsache ablesen: ProSiebenSat.1 und Brainpool TV haben noch keine Ahnung, welche Kandidaten in den "Millionärswahl"-Liveshows ab 9. Januar auftreten werden. Zwar durften sich einige Bewerber in Hamburg der Presse vorstellen. Ob genau diese aber von der "Millionärswahl"-Online-Community weitergewählt werden, ist völlig unsicher. Immerhin sind von ursprünglich 26.875 registrierten Teilnehmern momentan noch 4.900 im Rennen.

"Wir erleben die Kreativität der Teilnehmer in allen Höhen und Tiefen", sagt Brainpool-Chef Jörg Grabosch. "Wir sind das digitale 'Wetten dass..?' - bloß ohne jegliche redaktionelle Steuerungsmöglichkeit. Hier kann man mit einem Gedicht oder Gemälde genauso viel werden wie mit einem Bagger auf Biergläsern." Bewerber mit Bagger sind zwar nicht dabei, dafür aber jede Menge Talente verschiedenster Art sowie persönliche und soziale Anliegen.



In Hamburg präsentierte sich zum Beispiel Daniel aus Tirol, der Free-Drop-Sprünge von Kränen oder Hausdächern macht - eine Art Bungee ohne Seil. Bei 52 Metern Höhe ist er jetzt, der Weltrekord liegt bei 104 Metern. Falls er die Million gewinnt, will er zur Stuntschule gehen und seine Mutter unterstützen. Aylin aus Cloppenburg spielt Fußball in der ersten Frauen-Bundesliga und möchte mit Freestyle-Dribbling-Kunststücken im Liegen die Wahl gewinnen. "Kurz bevor wir sterben, wollen wir nochmal auf Tour gehen", sagen ein paar ältere Herren aus Augsburg, die in den 1970er Jahren als Krautrock-Band Gift erfolgreich waren. Einer ihre Söhne hatte sie zur Wahl angemeldet.

Die "Beast Brothers" aus Borken beeindrucken mit Calisthenics, einer Art Bizeps-Artistik an Klimmstangen und Barren, die bisher nur in Asien und den USA als wettkampftauglich gilt. Sie trainieren sechsmal pro Woche im Garten der Eltern von "Beast Brother" Ewald und würden mit der Million Calisthenics-Parks in deutschen Städten aufbauen. David aus Dortmund, seit fünf Jahren im Rollstuhl, fährt waghalsige Kunststücke beim WCMX, kurz für Wheelchair-BMX. Niklas und Anna aus dem Schwarzwald haben kein Talent, aber ein Anliegen: Sie stellen im Bewerbungsvideo die Frage "Wer hat die Million verdient?" und lassen zig Menschen ein "Ich nicht!"-Schild hochhalten. Sie möchten die Million an verschiedene wohltätige Organisationen spenden.

Bei Brainpool in Köln sitzt eine 14-köpfige Redaktion unter Leitung von Corinna Korte, die laut Grabosch schon fleißig Sendungen plant - um sie dann ganz schnell wieder zu verwerfen. "Ich schwöre: Wir beeinflussen nichts", so Grabosch, "zumal ja zwei Jahre Haft auf Datenbankmanipulation stehen. Wenn's Scheiße wird, können wir also nichts dafür!" Dennoch bekannte Wolfgang Link, Geschäftsführer von ProSiebenSat.1 TV Deutschland, beim Presse-Event in Hamburg, dass er Brainpool vertraue: "Die werden jedes Talent und jedes Anliegen, das es in die Liveshows schafft, showgerecht inszenieren."

Dafür wird das "Schlag den Raab"-Studio bei Brainpool in Köln-Mülheim genutzt, inklusive der bekannten Außenflächen. "Wenn jemand eine Skischanze braucht, bauen wir die auf", so Grabosch. "Wenn jemand im U-Boot durch den Rhein tauchen will, kriegen wir auch das hin." Die größte Herausforderung für die Macher: Erst am 9. Dezember - nach dem letzten Online-Wahlgang - stehen die 49 Kandidaten für die TV-Shows fest. Um ihre Auftritte zu planen, bleiben also vier Wochen. Vom 9. Januar an werden in sieben Vorrunden-Shows jeweils donnerstags bei ProSieben und freitags bei Sat.1 je sieben Kandidaten auftreten und sich dann auch dem Telefon-Voting der Zuschauer stellen. Die sieben Sieger treten im Finale bei Sat.1 zur endgültigen "Millionärswahl" an.

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"Seit drei Jahren sprechen wir über diese Idee - jetzt wird sie endlich wahr", freut sich ProSiebenSat.1-Chef Link. Diese Freude teilte in Hamburg Karsten Dusse, bekannt als Comedy-Autor ("RTL Samstag Nacht", "Freitag Nacht News") und Rechtsanwalt ("Verklag mich doch!"). Er hatte die Ursprungsidee zur "Millionärswahl" und produziert das Format nun im Joint Venture mit Brainpool. Moderatorin Jeannine Michaelsen, die gemeinsam mit Elton durch die Liveshows führt, brachte die Stimmung nach der Präsentation auf den Punkt: "Das ist das erste Mal, dass Inhalte aus dem Internet wirklich fernsehtauglich aufbereitet werden, ohne dass es aufgesetzt und peinlich wirkt."