Im Januar ging plötzlich alles ganz schnell: Nicht mal ein Jahr nach ihrer Wiederwahl zur WDR-Intendantin warf Monika Piel hin. Gesundheitliche Gründe hätten den Ausschlag gegeben, hieß es. Details zu Piels Erkrankung wurden allerdings nicht bekannt. Umso überraschender, dass die ehemalige Intendantin nun dem "Stern" ein großes Interview gegeben hat, in dem sie ausführlich über die Gründe für ihren schnellen Rückzug spricht. Zu Jahresbeginn sei eine Arteriosklerose festgestellt worden, "eine typische Stresskrankheit", so Piel. "Ein Schlaganfall drohte." Sie habe im Vorfeld allerdings bereits Böses geahnt. "Ich hatte ja eindeutige Symptome, Schlafstörungen, Herzrasen."
Letztlich habe sie vor der Wahl gestanden, sich entweder einer Operation zu unterziehen oder ihr Leben zu ändern. "Das hieß für mich: Aussteigen aus diesem Wahnsinnsjob. Ich habe mich bisher immer gefreut, mich in etwas Neues zu stürzen. Aber Ruhestand? Noch nie hat mich eine Herausforderung derart geängstigt." Eine Operation sei für sie jedenfalls nicht in Frage gekommen. "Die Halsschlagader ist ein äußerst sensibler Bereich. Ich halte nichts von so einem Reparaturdenken", sagt Piel im "Stern"-Interview. "Wenn man weiterlebt wie vorher, kommen die Symptome doch wieder. Wenn ich die Ursachen kenne, dann liegt es in meiner Verantwortung, sie abzustellen."
Als Hauptgründe für ihre Erkrankung hat Piel zu wenig Bewegung, schlechte Ernährung und Bluthochdruck durch Dauerstress ausgemacht. "Ich war die typische Schlaganfallkandidatin", gibt die ehemalige WDR-Intendantin offen zu. "Fast tausend ernst zu nehmende Einladungen pro Jahr. Im Januar war mein Terminkalender meist schon bis Dezember randvoll." Sie habe bis tief in die Nacht gearbeitet und nie eine Mittagspause gemacht. "Ich arbeite wahnsinnig gern. Aber ich gehöre leider nicht zu den Menschen, die mit drei Stunden Schlaf auskommen." Dabei erwarte jeder, dass man stets präsent und ausgeschlafen sei. "Es gibt in diesem Job kein Pardon. Immer heißt es: Korsett stramm ziehen."
Als Beispiel führt Piel ihre Zeit als ARD-Vorsitzende an. Sie habe wie alle anderen Intendanten bei Entscheidungen nur eine Stimme gehabt. "Nach außen hin musste ich dafür geradestehen - egal, ob ich selbst wirklich dahinterstand oder nicht. Das trägt, gelinde gesagt, nicht zum Wohlbefinden bei." Entspannen konnte Piel dabei nicht - auch weil sie eine Frau sei, wie sie meint. "Ich bin preußisch veranlagt in Arbeitsdingen. Und eine Frau kann sich so eine lässige Haltung überhaupt nicht leisten", erzählt sie im "Stern". Sobald man sich kooperativ zeige, werde das negativ ausgelegt. "Zugeständnisse werden gern angenommen - zurück gibt es so gut wie nicht", lautet das etwas bittere Fazit der früheren Intendantin.
Als WDR-Intendantin habe sie etwa den Sendeplatz von Frank Plasberg am Mittwoch zugunsten einer einheitlichen Sendezeit der "Tagesthemen" abgegeben. Plasberg habe dafür jedoch den "wesentlich schlechteren Sendeplatz" am Montag erhalten. Die "Tagesthemen" würden nun allerdings trotzdem oft nicht pünktlich beginnen, etwa an Fußball-Abenden. Und auch wenn der Job sie im Laufe der Zeit krank gemacht hat: Als Opfer sieht sich Monika Piel nach all den Jahren in verantwortlichen Positionen trotzdem nicht. "Der Lustgewinn ist ernorm. Natürlich. Sonst würde man das nicht machen. Man bekommt ungeheuer viel Anerkennung von außen, sitzt in der ersten Reihe. Ich hatte es ja in der Hand, welche Positionen ich annehme. Niemand hat mich gezwungen, Intendantin zu werden."
Erst bei der Staffel-Übergabe im Sommer habe sie "auch gefühlsmäßig die Verantwortung für den Sender übergeben", erzählt sie und schiebt nach: "Endgültig." All den Stress, den sie während ihrer Zeit als Intendantin des WDR erlebte, bekommt nun ihr Nachfolger Tom Buhrow zu spüren. Ihm habe sie geraten, weiterzulächeln. "Er soll das Amt mit seiner Persönlichkeit ausfüllen, soll authentisch bleiben." Für sie selbst hat nun ein gänzlich neuer Lebensabschnitt begonnen - erst recht, weil auch ihr Mann, der ehemalige Radio-Moderator Roger Handt, inzwischen im Ruhestand ist. "Ganz logisch, dass man Distanz und Nähe neu austarieren muss", gibt Piel im "Stern" zu. "Früher waren wir immer froh, wenn wir uns mal gesehen haben - jetzt sehen wir uns den ganzen Tag. Das ist bis jetzt wunderbar."
Die dramatischen Symptome seien mit der Zeit schwächer geworden. "Aber wenn ich mal einen anstrengenden Tag habe, mit Flugreisen, Warten, Anstrengungen, dann geht es mir ganz schnell wieder schlechter. Das ist etwas schockierend", sagt Monika Piel. "Ich ertappe mich dabei, schnell zu denken: Jetzt ist alles wieder gut. Ist es aber nicht." Ihr neues Leben muss sie aber erst noch lernen. Ganz deutlich wird das bei einer Anekdote über einen Supermarkt-Besuch, die Piel erzählt: "Da waren sechs Leute vor mir an der Kasse. Ich habe meine Sachen wieder zurückgelegt - und wollte weg. Ich habe mich dann zur Ordnung gerufen: Es gibt keine Ausrede mehr für deine Ungeduld. Du hast Zeit! Ich bin also wieder zurück, habe die Sachen wieder eingesammelt, mich angestellt und gewartet, bis ich an der Reihe war".