Erwarten Sie keine Erkenntnisse von diesem Artikel. Er raubt Ihnen Zeit und könnte Sie langweilen. Kurzum: Er versucht sich der Eröffnungsveranstaltung der Medientage München anzupassen. Drei Stunden lang wartete man als Zuschauer eigentlich permanent auf den großen Knall - wenn das Phrasenschwein ob all der platten Sprüche endlich platzt. Doch offenbar war das groß genug. Das meist strapazierte Wort dieses Vormittages war zweifelsohne der Wandel. Er klingt so schön, so fortschrittlich und gleichzeitig allumfassend. Da wollte jeder einmal - und machte es dann auch. Im Angebot waren gleich mehrere Variationen: "Die einzige Konstante ist der Wandel", "Wandel ist das Wesen der Welt" oder doch lieber "Nur wer sich wandelt, bleibt vorne"? Sie haben die Wahl.
"Die Googles dieser Welt" fehlten auch nicht und machten in der Elefantenrunde den Tenor der meisten Diskussionsteilnehmer klar: Die Bösen sind ja die Anderen, wir hingegen wollen nur Ihr Bestes. Das ist mal Aufmerksamkeit, mal Geld, mal persönliche Daten. Böse ist natürlich besonders das Netz. Zumindest, wenn man Verleger Dirk Ippen fragt. Man müssen den digitalen Herausforderung mit Qualitätsjournalismus begegnen - auch so eine tolle Phrase, die im Jahr 2013 so neu ist, wie sie es schon 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007 und vielleicht schon 2006 war. Oder doch auch schon 2005? Auch VPRT-Vorstandchef Tobias Schmid amüsierte sich an diesem Morgen zwischendurch darüber, dass sich das auf dem Podium sehr nach den Medientagen der vergangenen Jahren anhöre.
Einzigartig ist in diesem Jahr ein ausgesprochener Gedanke von Verleger Dirk Ippen, der im Folgenden von den anderen Elefanten nur zu gerne aufgegriffen wurde: "Die Jugend ist ein großes Problem", sagte Ippen über die Erreichbarkeit junger Leser und löste ein Raunen im Saal aus. Korrigieren wollte er sich nicht. Wenig später mit Bezug auf die Online-Studie von ARD und ZDF ergänzte er spöttisch die Erkenntnis, man sei heute wohl "entweder online, schlafen oder tot". Da klang Frust durch, der nicht ganz zu den optimistischen Parolen passen wollte, die Ippen drum herum vortrug.
Und sonst? Natürlich durften "Leuchttürme" nicht fehlen. Und "neue Realitäten". Und selbstverständlich müsse man da sein, wo der Nutzer ist. Gut, dass das mal (wieder) gesagt wurde. Das Phrasenschwein füllte sich stetig. Für den größten Lacher des Morgens sorgte Sky Deutschland-Vorstandsvorsitzender Brian Sullivan, der beim Thema Datenschutz von Gesprächen mit seinen beiden Kindern erzählte, sich plötzlich vor den Kopf schlug und peinlich berührt korrigierte: "Ich hab ja drei Kinder!" Der Saal lachte - und war wach.
Knackig und angriffslustig war Conrad Albert, Vorstand Legal, Distribution & Regulatory Affairs bei der ProSiebenSat.1 Media, der beim immerhin recht konkreten Thema Werberegulierung den deutschen Google-Chef Philipp Justus und Verleger Dirk Ippen angriff und auf die Benachteiligung des Fernsehens als einzige in Deutschland regulierte Mediengattung verwies. Doch davon abgesehen waren die diskutierten Thema so neu wie das Internet. Wichtig zweifelsohne, aber Daten-Sicherheit, Lehrer-Ausbildung, Werberegulierung, Journalismus, Fernsehquote und Second Screen sind dann doch - wie in all den Jahren zuvor - ein zu breites Spektrum für eine einzelne Veranstaltung.
Schöne Differenzierung bot zwischendurch mal VPRT-Chef Tobias Schmid, der die Vermutung zurückwies, dass das Fernsehen ein altes Medium sei. Man müsse da klar unterscheiden: "Wir machen Fernsehen und nicht Fernseher", so Schmid. Fernsehen im Netz sei ganz im Gegenteil sehr zukunftsfähig. Oftmals werde Fernsehen allein an dem Gerät im Wohnzimmer festgemacht - was falsch sei. Auch Verlage seien bestens aufgestellt, betonte Verleger Ippen nochmal. Doch diese vorgetragene Euphorie entpuppt sich eben als hohle Phrase, wenn einem ein ehrlicher Gedanke herausrutscht und alles konterkariert.
Sky-Chef Brian Sullivan gab kurz vor Ende der dreistündigen Eröffnungsveranstaltung noch denkwürdige Worte mit den auf den Weg, die leider verpufften weil andere Diskussionsteilnehmer schnell noch ihre Themen platzieren wollten und viele Zuhörer längst auf dem Weg zum Büffet waren: Zum Dauerthema Medienregulierung gab Sullivan zu bedenken, dass es völlig absurd sei Medien national regulieren zu wollen, wenn der Wettbewerb längst international ist und so Firmen in Ländern wie den USA im Vorteil sind, weil sie erst einmal machen dürfen - und nicht gleich gebremst werden. Das fasst die komplexe Problematik kompakt zusammen.
Auf dem von "taz"-Chefredakteurin Ines Pohl durchwachsen moderierten Podium saßen übrigens auch ZDF-Intendant Thomas Bellut, der BLM-Präsident Siegfried Schneider und Professorin Caja Thimm von der Universität Bonn. Angesichts der verlockenden Gefahr sich ebenfalls bloß in Phrasen zu ergehen, mag es klug gewesen sein, dass sie nicht oft das Wort ergriffen haben. Mancher, angesichts der immer gleichen Diskussionen, entnervte Blick von ZDF-Intendant Bellut sagte ohnehin mehr. Schweigen wird bei Elefantenrunden so zu einer neuen Qualität, für die man dankbar sein muss.