Anfang vergangener Woche kündigte RTL an, das in Großbritannien gefeierte, mit einem BAFTA (Preis der Britischen Akademie der Film- und Fernsehkunst) ausgezeichnete und bereits in der vierten Staffel produzierte Dokuformat "One Born Every Minute" als Adaption unter dem Titel "Babyboom - Willkommen im Leben" nach Deutschland zu bringen. Dabei handelt es sich um eine sogenante "Multi Rig Documentary" - im Klartext: In einem abgetrennten Bereich der Entbindungsstation an einer Berliner Klinik wurden 30 fest installierte und ferngesteuerte Kameras installiert, die das Geschehen rund um die Uhr aufzeichnen, ohne dass vor Ort Mitarbeiter der Produktion eingreifen - damit soll das Geschehen so authentisch wie nie zuvor abgebildet werden.

Bekannt ist das Format nun also schon über eine Woche, erst die Berichte in Boulevardzeitungen sorgten nun aber für Aufregung in der Politik. "Big Brother im Kreißsaal" oder "Baby-Big-Brother", heißt es dort in der Überschrift. Dieser Vergleich liegt angesichts der Rund-um-die-Uhr-Beobachtung mit Kameras natürlich nah, stellt das Format aber fraglos in eine falsche Ecke. Doch genau deswegen fühlt sich die Berliner Politik nun offenbar zu einem Eingreifen genötigt.

Am Montagmittag teilt der Berliner Senat mit, dass Senator Mario Czaja in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Finanzen als Eigentumsvertreter die Geschäftsführung des Klinikbetreibers Vivantes anweisen werde, die Filmaufnahmen bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung, die voraussichtlich am 20. März stattfinden wird, auszusetzen. Aufsichtsrat und Eigentumsvertretung seien die Pläne für die Dreharbeiten im Vorfeld nicht bekannt gewesen - was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, wie der Senat selbst einräumen muss. "Es handelt sich grundsätzlich um ein operatives Geschäft der Vivantes GmbH, das nicht zustimmungspflichtig ist und für das die Geschäftsführung des Unternehmens allein verantwortlich ist." Doch weil sich die Bedenken gemehrt hätten, "dass die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Kinder und die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht ausreichend gewahrt" würden, solle nun auf der nächsten Aufsichtsratssitzung über die Dreharbeiten diskutiert werden.

Beim Klinikbetreiber Vivantes kann man die Vorbehalte nicht nachvollziehen. "Wir sind nach wie vor von der Seriosität des geplanten Formats einer Entbindungsdokumentation im Vivantes Klinikum im Friedrichshain überzeugt. Wir haben bei der Vorbereitung des Projektes aus unserer Sicht alle klinischen und juristischen Fragen berücksichtigt. Dazu gehört die Einbeziehung und Zustimmung aller beteiligten Mitarbeiter und Akteure, der Regionaldirektion, der Hygiene-Beauftragten, des Vivantes Datenschutzbeauftragten, des Betriebsrates und der Konzernkommunikation", heißt es seitens des Unternehmens.

In der Tat finden die Dreharbeiten nur in einem klar abgegrenzten Bereich der Entbindungsstation statt. Sowohl die Eltern als auch die beteiligten Mitarbeiter müssen explizit ihre Einstimmung geben. Dr. Lars Hellmeyer, Chefarzt der Klinik: "Es gibt mehrere Kreißsäle, aber nur in einzelnen sind Kameras installiert. Wer nicht gefilmt werden möchte, wird dort nicht untergebracht. Die medizinische Betreuung ist in keinster Weise verändert und durch Dreharbeiten beeinflusst." Auch den Mitarbeitern bleibe die Wahl: "Zum einen können die Mitarbeiter dort arbeiten, wo keine Kameras installiert sind. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass sie für den Zeitraum der Dreharbeiten in einem anderen Vivantes-Klinikum eingesetzt werden."

Noch ist die Anweisung, die Dreharbeiten tatsächlich auszusetzen, nicht bei Vivantes eingegangen. "Sollte das Land Berlin als Gesellschafter von Vivantes dennoch eine Einstellung oder Aussetzung der Filmaufnahmen anweisen, werden wir dieser Anweisung folgen", erklärt man aber auf Anfrage. Bei RTL, für das Shine Germany das Dokuformat produziert, geht man aber nicht von einem Drehstopp aus: "Sämtliche Rechtefragen wurden weit im Vorfeld und in enger Zusammenarbeit zwischen Produzent und Klinik geklärt. Wir gehen daher davon aus, dass die Dreharbeiten weitergehen können", so eine RTL-Sprecherin gegenüber DWDL.de. Und mit Blick auf die Aufregung von Politikern, die ihr Wissen über das Format vermutlich aus kurzen Zeitungsberichten beziehen, fügt man an: "Kritikern empfehlen wir bei aller Wertschätzung, sich zu informieren, bevor sie ein Urteil fällen."