In 44 Tagen beginnt die Fußball-Europameisterschaft – und angesichts von Meisterfeier und Abstiegskampf in der Bundesliga und den noch ausstehenden Spielen im DFB-Pokal und in der Champions League ging dieses anstehende Event bislang in der öffentlichen Wahrnehmung bislang noch weitgehend unter. Doch das wird sich ganz sicher schlagartig ändern, zumal die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit den Niederlanden, Portugal und Dänemark in eine wahrlich harte Gruppe gewählt worden ist. Für ARD und ZDF ist das ein Glücksfall – gleich zu Beginn des Turniers gibt es im Juni somit richtig spannende Begegnungen.
Und doch kommen harte Wochen auf die Öffentlich-Rechtlichen zu. Dafür sorgen alleine schon die Ausrichtungsorte: Die EM findet nämlich in Polen und der Ukraine statt. „Es wird die politischste Europameisterschaft, die es bislang gegeben hat“, ist sich WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn angesichts der ungewissen Situation in der Ukraine sicher. Und doch soll vor allem der Sport im Mittelpunkt stehen. Dass Schönenborn die Aufgabe des WDR-Teamchefs übernommen hat, überrascht auf den ersten Blick, ergibt aber letztlich doch Sinn. „Mit Ergebnissen kenne ich mich aus“, scherzte er am Dienstag auf der gemeinsamen EM-Pressekonferenz von ARD und ZDF in Hamburg hinsichtlich seiner jahrelangen Erfahrung als Wahlberichterstatter.
Er werde im Hintergrund die Strippen ziehen, während WDR-Sportchef Steffen Simon in erster Linie die Spiele kommentieren wird. Das Fernseh-Konzept des federführenden WDR, erklärte Schönenborn, passe dabei auf eine Briefmarke. „Wir suchen die Nähe.“ Will heißen: Die Moderatoren Reinhold Beckmann und Gerhard Delling werden für Das Erste direkt aus den Stadien berichten, Experte Mehmet Scholl ist jeweils beim Abendspiel zusätzlich an Bord. Matthias Opdenhövel, seit vergangenem Sommer neu im „Sportschau“-Team, wird aus dem Lager der deutschen Nationalmannschaft berichten, so wie es sein Kollege Michael Steinbrecher für die Kollegen vom ZDF ebenfalls tun wird.
„Wir hoffen, dass er sehr lange dort bleiben kann“, sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky, der zugleich ankündigte, Gerald Asamoah für das „Morgenmagazin“ auf EM-Tour schicken zu wollen. Während die ARD auch aus wirtschaftlichen Gründen vorwiegend aus den Stadien senden wird, verfolgt das ZDF ein gänzlich anderes Konzept, das man jedoch bereits von der WM 2006 und der EM 2008 kennt. Der Sender eröffnet an der Heringsdorfer Seebrücke auf Usedom seinen „Fußballstrand“, der zusätzlich mit einem Beach-Soccer-Feld, Fußball-Pavillons und einem Parcours ausgestattet sein wird. Wer sich die Spiele von dort ansehen möchte, muss übrigens zehn Euro bezahlen. „Das ist Pay-TV!“, scherzte Balkausky, als er von den Plänen der ZDF-Kollegen hörte.
In Mainz ist man allerdings überzeugt vom Konzept, das sich bewusst von jenem der ARD unterscheidet. An die Ostsee schickt das Zweite sein Team aus Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn, der übrigens auch in den kommenden drei Jahren für das ZDF tätig sein wird – unter anderem auch für die Champions League, die man ab August im Programm haben wird. Bei strittigen Szenen kann auf den ehemaligen Schiedsrichter Urs Meier zurückgegriffen werden. Darüber hinaus schickt das ZDF Rudi Cerne und Sven Voss in die Stadien nach Polen und in die Ukraine. Um die Partystimmung nach Hause transportieren zu können, hat sich das ZDF indes dazu entschieden, den Song „I Like To Move It“ von der Band Los Colorados zum EM-Song zu machen. Die vier Musiker aus dem ukrainischen Ternopil kamen eines Tages auf die Idee, internationale Hits im Rhythmus ihrer Heimat zu interpretieren – so wie im Fall von „I Like To Move It“.
Doch was kostet nun der ganze Spaß? ARD und ZDF unterstrichen am Dienstag in Hamburg, auf dem Kosten-Niveau der Fußball-EM von 2008 zu liegen. Weil die Wege deutlich länger sein werden als vor vier Jahren in Österreich und der Schweiz, sei das eine gute Leistung, betonten das die Verantwortlichen nicht ohne Stolz. Und doch ist die EM-Truppe beachtlich groß: Mit 300 Mitarbeitern in beiden Teams wollen die Sender die Übertragungen stemmen. ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz sprach von einer „sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit“ mit dem WDR – trotz unterschiedlicher Programmausrichtungen. WDR-Chefredakteur scherzte gar: „Wir haben überlegt, ob wir auch gemischte Doppelzimmer nehmen, haben diesen Plan allerdings auf 2016 verschoben.“ Wie viel genau sich ARD und ZDF die Fußball-EM im Sommer letztlich kosten lassen, wollten die Verantwortlichen auf der Pressekonferenz in Hamburg allerdings dann doch nicht beziffern.
Ansonsten bleiben nur fromme Wünsche – wie etwa jener von ARD-Moderator Gerhard Delling: „Ich hoffe, die Atmosphäre aufsaugen zu können. Zumindest dann, wenn Mehmet Scholl nichts sagt.“ ZDF-Kommentator Béla Réthy hofft zumindest auf gutes Wetter. „Als wir beim letzten Mal in Danzig waren, war es zu warm – da ist unser Ü-Wagen abgebrannt.“ Man darf also gespannt sein auf die große Unbekannte in Polen und der Ukraine.