Kein Zweifel: Am Dienstag hat beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) eine neue Zeitrechnung begonnen. Nach 20 Jahren an der Spitze hat sich Gründungs-Intendant Udo Reiter in den Ruhestand verabschiedet - ähnlich turbulent wie die vergangenen, von Krisen dominierten Monate verlief auch die Bestimmung seiner Nachfolgerin. "Die Zeit zwischen Wahl und Amtsantritt ist wahrscheinlich historisch einmalig", scherzte Karola Wille, die erst am Sonntag vor einer Woche in ihr neues Amt gewählt worden ist.

Nun liegt es also an ihr, den MDR wieder in geordnete Bahnen zu verhelfen. Dass Wille am Mittwoch zum Pressegespräch ausgerechnet in die 13. Etage der MDR-Zentrale in Leipzig lud, ist angesichts der vielen MDR-Skandale kein Zufall. "Es geht auch um ein Stück Weitblick", sagte sie gleich zu Beginn, um dann sofort auf all die Herausforderungen überzuleiten, die vor ihr liegen. "Unser krisengeschütteltes Haus soll wieder zur Ruhe kommen." Wille kündigte an, die Führungs- und Unternehmenskultur im MDR verbessern zu wollen - dort hat sie Schwächen ausgemacht. Es sei womöglich zu wenig miteinander gesprochen worden.

Man mag das auch als Kritik am Stil ihres Vorgängers verstehen. Dass Wille selbst schon seit der Gründung des MDR an Bord ist, lässt in diesem Zusammenhang allerdings die Frage aufkommen, weshalb die Kritik an der bisher offenkundig mangelnden Team-Atmosphäre nicht schon früher geäußert wurde. Nun, so Willes feste Absicht, soll jedenfalls alles besser werden. Und doch spricht sie von einer "guten Ausgangsbasis", wenn sie an das jetzige Programm denkt. "Der MDR ist nicht nur ein Schunkelhaus", betonte die neue Intendantin, die das Programm des Senders für den "Wettbewerb in der digitalen Welt" zukunftsfähig machen möchte.

Der ebenfalls gerade erst ins Amt des Fernsehdirektors gekommene Wolf-Dieter Jacobi verwies in diesem Zusammenhang auf Magazine, Reportagen und Dokumentationen, die das MDR Fernsehen schon jetzt zur besten Sendezeit ausstrahlt. "Man wird lange suchen müssen, bis man ein Schunkelangebot in unserem Programm findet", so Jacobi. Er kündigte allerdings zugleich an, die Musikformate des Senders weiterentwickeln zu wollen. Die neue Intendantin will derweil Regionalität als Leitlinie des Programms verwirklichen. Die Modernität Mitteldeutschlands soll noch stärker reflektiert werden - auch im Ersten, wie Wille bekräftigte.

Sie sprach sich zugleich für einen "intensiven Diskussionsprozess über die Qualität des Programms" aus und kündigte an, ein klares öffentlich-rechtliches Profil für den MDR entwickeln zu wollen. Es wird allerdings auch darum gehen, jüngeres Publikum an den MDR heranzuführen, auch wenn den Verantwortlichen angesichts der alten Bevölkerungsstruktur in Mitteldeutschland fast schon die Quadratur des Kreises gelingen müsste. Es müsse darum gehen, dem "Generationenabriss" entgegenzusteuern. "Das durch den Kika gewonnene Publikum wird an die Privaten abgegeben", kritisierte Karola Wille und unterstrich zugleich ihre Forderungen nach einem Sender für junge Zuschauer.

"Wir müssen die Idee des ARD-Jugendkanals neu diskutieren", forderte sie und kündigte in diesem Zusammenhang an, auch an einem "guten Kinderradio für Mitteldeutschland" arbeiten zu wollen. Doch zunächst dürften die Baustellen des MDR an anderer Stelle liegen. Die Aufklärungsprozesse im Kika-Skandal und im Skandal um den inzwischen gefeuerten Unterhaltungschef Udo Foht voranzutreiben, sei eine der Aufgaben, denen sie in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit nachgehen möchte. Und so gibt es in der Medienbranche wohl derzeit deutlich angenehmere Jobs als jenen an der Spitze des MDR.