Print heißt jetzt Publishing - zumindest auf den Medientagen München. Die Probleme, oder sollte man besser sagen: die angeblichen Probleme der Branche sind allerdings die gleichen geblieben. Da wäre etwa die leidige Debatte um die "Tagesschau"-App, die am Donnerstag beim "Publishing-Gipfel" nur einen kurzen Moment thematisiert war. Über die Anregung des Gerichts, wonach ARD, ZDF und die Verlage einfach mal miteinander sprechen sollen, sagte BDZV-Präsident Helmut Heinen: "Seither ist noch nichts unternommen worden."

Gespräche soll es erst im November geben - allzu dringend ist der App-Streit, so ist jedenfalls der Eindruck, offenkundig doch nicht. Doch man wird doch hoffentlich noch ein wenig jammern dürfen, etwa über die zunehmende Gefahr des Internets für Zeitschriften und Zeitungen. Burda-Vorstand Philipp Welte scheint davon allerdings reichlich genervt zu sein. "Es gibt kaum eine Branche, die es schafft, ihr Geschäft kontinuierlich schlecht zu reden", schimpfte er auf der Podiumsdiskussion und fügte hinzu: "Die Deutschen lieben Zeitungen und Zeitschriften."

 

Die Print-Branche würde stattdessen den Eindruck erwecken, "wir würden nur tote Bäume bedrucken", sagte Welte. "Wir verhalten uns wie Gallier in einem Dorf, die sich auf die Nuss hauen." Stattdessen seien die Menschen auf der Suche nach journalistischer Qualität - und die werde in Zeitschriften gesucht, obwohl viele Informationen nur einen Klick entfernt seien. Dass sich nicht zuletzt Zeitschriften für junge Menschen gut verkaufen, würden Titel wie "Neon" und "Nido" zeigen. Das wiederum freute Michael Ebert, der als Chefredakteur beider Magazine, ebenfalls in der Runde saß und vor allem die Zeit zur Entwicklung von "Neon" hervorhob, die Gruner+Jahr der Mannschaft vor einigen Jahren gab.

Während sich die Teilnehmer einig darin waren, dass neue Zeitschriften der Schlüssel für die Zukunft sind, dürfte das im Bereich der Tageszeitungen deutlich schwerer werden. "Neugründungen scheinen mir nicht der richtige Weg zu sein"; sagte BDZV-Präsident Helmut Heinen, der zugleich Herausgeber der "Kölnischen Rundschau" ist. Stattdessen befürwortet er die Weiterentwicklung der bestehenden Marken. Zeitungen müssten wie eine "Wundertüte" sein: "Die Leser sollen etwas finden, nachdem sie gar nicht gesucht hätten." Es müsse für Aktualität ebenso Raum geben wie für Hintergrund. "Schnelle Rezepte gibt es aber nicht."

Bleibt die Frage, wie sich mit Journalismus in Zukunft Geld verdienen lässt. Während Burda-Vorstand Welte auf aktuelle Renditen von 30 Prozent verwies, gab Stefan Plöchinger, Chefredakteur "sueddeutsche.de", zu bedenken: "Es gibt diesbezüglich ein weites Spektrum, viele haben bei ihren Angeboten sicherlich auch ein rotes Vorzeichen." "WAZ"-Chefredakteur Ulrich Reitz führt hohe Renditen auch auf gestiegene Verkaufspreise zurück - und hat neue Ideen. So seien etwa in der Schweiz Gratiszeitungen am Morgen und Abend zu haben, dazu sei der Morgen-Ableger im Netz das erfolgreichste Online-Portal des Landes. Ein Modell, das sich Reitz auch für Deutschland gut vorstellen kann. Man habe derzeit Ideen für eine Pendler-Zeitung, die nachmittags erscheinen könnte.

Und doch muss sich die Print-Branche um ihre Zukunft sorgen, mahnte Peter Hogenkamp, Leiter digitalen Medien NZZ Gruppe. "Keiner weiß, wie lange Print noch Bestand haben wird", sagte er in München und fügte hinzu: "Die Hypothese, dass Menschen keine Tageszeitung mehr lesen wollen, können wir nicht ausschließen." Stattdessen müssten Ersatzprodukte gefunden werden, die er bislang jedoch kaum erkennen kann. "Ich sehe, dass sich das Mediennutzungsverhalten ändert, doch gleichzeitig denken wir auf der Redaktionsseite, dass alles super ist." Hogenkamp fordert daher ein Umdenken - es müssten alle Inhalte auf allen Plattformen verfügbar sein, um die Leser in Zukunft zu erreichen.

Es ist eine Ansicht, die sich offenbar noch nicht überall in der Branche herumgesprochen hat, so jedenfalls Hogenkamps Eindruck. "Als Digitaler ist man immer noch das Schmuddelkind." Ob Bezahlinhalte im Internet die Lösung sein können? Philipp Welte denkt das nicht: "Ich glaube wenig an Paid Content-Fantasien. Das ist wie Zahnpaste in die Tube zurückbringen zu wollen - fast unmöglich." Verabschieden muss sich die Branche wohl von der Ansicht, dass ein Printprodukt alleine reicht. "Wir haben 'Neon' nie als Printprodukt gesehen, sondern als Marke", so "Neon"-Chefredakteur Ebert. Eines aber ist klar: Grund zum Jammern gibt es für die Branche nicht. Viel mehr scheint es so zu sein, dass Mut zu neuen Ideen auch im Zeitalter der neuen Medien von den Lesern belohnt wird.