Ein nicht veröffentlichtes "Focus"-Interview mit Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bringt die Partei in Rage. "Ein abgestimmtes Interview, das ohne nachvollziehbare Begründung aus dem Heft geworfen wird: Das ist mehr als ein starkes Stück, das ist ein beispielloser Affront", schimpfte Fraktions-Pressesprecher Michael Schroeren am Montag.

"Focus"-Redakteur Herbert Roßler-Kreuzer habe Schroeren erst am Freitagabend darüber informiert, dass das Interview nicht veröffentlicht werden soll. Eine plausible Erklärung habe er jedoch nicht geben können. "Zu langweilig sei das Interview, zu glatt, zu ungeeignet, umschreibt Roßler-Kreuzer den Standpunkt seiner Chefs. Der Eklat ist da", so der Grünen-Sprecher auf der Website der Fraktion über ein am Freitag mit dem "Focus"-Mann geführtes Telefonat.

 

Nach Schroerers Angaben habe man daraufhin im Kontakt gestanden, um eine Lösung zu finden - doch sowohl die Idee, einige Zitate in den Redaktionstext einzubauen, als auch eine Veröffentlichung bei "Focus Online" habe man nicht für gut befunden. "Denn es war etwas anderes verabredet, und so schlecht finden wir unser Interview nicht, dass es gleich die Zweitverwertung verdient hätte", sagte der Grünen-Sprecher, um das Künast-Interview letztlich einfach selbst ins Netz zu stellen.

"Schließlich hieß es, man sei nun doch bereit, das Interview zu drucken, aber um die Hälfte zusammengestrichen. Das war am Ende des Tages - und der endgültige Tod des Interviews." Beim "Focus" verteidigt man unterdessen das Vorgehen. "Als die Focus-Chefredaktion entschieden hat, das Interview mit Renate Künast nicht abzudrucken, haben wir in den normalen Spielräumen der redaktionellen Freiheit agiert", sagte Chefredakteur Uli Baur. Änderungen bis zum Redaktionsschluss seien bei einem wöchentlichen Nachrichtenmagazin Usus.

Zugleich fügte Baur hinzu: "Vor allem, wenn ein Wortlaut-Interview, wie bei Frau Künast und ihrem Pressesprecher geschehen, im Nachhinein in seiner Aussage verändert wird." Und tatsächlich: Das Interview, das die Grünen inzwischen online veröffentlicht haben, wirkt äußerst glattgebügelt. Inwiefern der nun ausgerufene "Affront" etwas mit dem für die Partei wenig schmeichelhaften Titel "Die Entzauberung der Grünen" zusammenhängt, bleibt zudem offen.