Über mehrere Jahre hinweg spielten deutsche Serien insbesondere bei den Privatsendern nur eine sehr geringe Rolle - erst langsam trauen sich RTL & Co. wieder aus der Decken. Mit Erfolg: Erst am Montag verzeichnete Sat.1 mit seinen Serien "Der letzte Bulle" und "Danni Lowinski" neue Bestwerte. Die "Macht der Serie", über die am Dienstag auf dem Medienforum.NRW diskutiert wurde, ist also durchaus noch vorhanden.
Das zeigt auch die Anzahl der täglichen Serien: Selbst nach dem Ende des "Marienhofs" sind Tag für Tag in der Daytime etwa zehn Serien zu sehen, die das Publikum unterhalten wollen. Es ist allerdings deutlich schwieriger geworden, die Zuschauer dafür zu gewinnen, sagte Rainer Wemcken, Vorsitzender der Geschäftsführung von Grundy Ufa. Während vor 15 Jahren noch zwischen sechs und sieben Millionen Zuschauer bei "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" eingeschaltet hätten, seien es heute nur noch etwa vier Millionen.
"In den 90ern war 'GZSZ' noch Schulhofgespräch, heute sind normale Serien kein Muss mehr", so Wemcken. Um zu wissen, wie "GZSZ" & Co. bei den Zuschauern ankommen, betreibe RTL jeden Monat aufs Neue Marktforschung. Dabei gilt: "Je älter das Publikum ist, desto treuer sind die Zuschauer." Dass sich das Zuschauerverhalten verändert hat, zeigen nach Ansicht von Fernsehkritikerin Klaudia Wick auch die Quoten des Dschungelcamps, das die erfolgreichste Serie der letzten Saison gewesen sei. "Das Live-Gefühl wird immer wichtiger", so Wick in Köln.
Bei Serien wie "Im Angesicht des Verbrechens" oder "Lindenstraße" könne man heutzutage gut und gerne auf DVDs zurückgreifen, doch das Dschungelcamp sei "talk of town" und müsse daher jeden Abend live gesehen werden - fast so wie vor einigen Jahren bei "GZSZ", als es noch nicht die Möglichkeiten gegeben habe, die Folgen der Serie aufzuzeichnen oder nachträglich im Netz anzusehen. Doch bei Serien geht der Trend nicht ausschließlich auf sogenanntes On-Demand-Fernsehen: "Trotz zeitversetztem Fernsehen bleibt das Bedürfnis nach Lagerfeuer und Ritualen bestehen", machte Gebhard Henke, Leiter des WDR-Programmbereichs Fernsehfilm, Kino und Serie deutlich.
Der "Tatort" sei dafür das beste Beispiel - insbesondere junge Leute machen den Sonntagabend zunehmend zum "Tatort"-Abend. Die Zuschauerstruktur der Krimireihe habe sich zudem in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. "Früher war der 'Tatort' ein männliches Phänomen, doch heute ist das Verhältnis von Männern und Frauen ausgeglichen." Die Gleichung, dass Männer "Tatort" schauen und Frauen zu Pilcher schalten, lässt sich ganz offensichtlich nicht mehr so leicht aufrechterhalten wie noch vor einiger Zeit. Dass der "Tatort" gar keine Serie im klassischen Sinne ist, stört Henke dabei wenig.
"Die Unterscheidung zwischen Serie und Mehrteiler ist irrelevant, wenn die Zuschauer es mögen", sagte Henke auf dem Medienforum.NRW. Viel mehr beschäftigt ihn die Frage, wie es mit dem Vorabend im Ersten weitergehen wird - auch dafür ist er mitverantwortlich. "Der Vorabend ist eine fragile Zeit - man ist reizbar, hat sich nicht positioniert und muss sich auch noch entscheiden, was man einschaltet." Die nun angekündigten regionalen Krimis können eine Chance bieten - meint auch Fernsehkritikerin Wick. "Besonders im Regionalen liegt ein Schlüssel", sagte sie, schließlich sei eine Serie immer auch identifikatorisch.
Doch trotz aller regionaler Vorzüge: Insbesondere im Bereich ausländischer Serien haben die Öffentlich-Rechtlichen in letzter Zeit einen Trend verschlafen, wie auch Henke zugibt. "Es war nicht gut, dass wir die Lizenzserien so vernachlässigt haben", sagte der WDR-Mann am Dienstag. "Das stünde und heute auch im Ersten gut zu Gesicht. Zu einer völligen Lobeshymne auf das amerikanische Fernsehen ließ sich Henke jedoch nicht hinreißen. "Diejenigen, die amerikanische Serien verehren, verkennen, dass die Amerikaner keine guten Fernsehfilme haben." Womöglich - und das ist wohl die Quintessenz der Debatte - kommt es letztlich einfach nur auf die richtige Mischung an.