Am Ende ist gar nichts gut. „Wir schaffen das, Franz“, sagt Ivo Batic, aber es bleiben Zweifel, wie das weitergehen soll. Ende offen also, und doch bleibt eine große Befriedigung über das Gesehene. Weil es betört mit traumhaften Bildern. Weil die Geschichte Hand und Fuß hat. Weil sehr vieles einfach stimmt in diesem Film.
Das beginnt schon mit der Eingangssequenz. Eine Frau, ganz in Weiß in einer Wohnung ganz in Weiß. Sie scheint zu schweben, über den Dingen, über ihrem Gegenüber. Weil es ein „Tatort“ ist, weiß man aber schnell: Diese Frau wird man gleich wiedersehen: als Leiche. So kommt es dann auch. Sie liegt zwölf Stockwerke tiefer auf dem Boden, zerschmettert. Das Weiß ist einem tiefdunklen Rot auf tristem Grau gewichen.
Leitmayr und Batic werden gerufen. Sie kommen vom Joggen, bei dem Batic keine besonders gute Figur machte. Leitmayr dagegen strotzt vor Tatendrang. Das soll sich ändern - im Angesicht der Leiche.
Es dauert allerdings 18 Minuten, bis Leitmayr seinen Kollegen endlich gesteht, dass er die Tote kannte, dass er sie geliebt hat, dass die Liebe aber vor einiger Zeit schon auseinander ging. Nun, da feststeht, dass sie als sehr besondere Prostituierte gearbeitet hat, kommt Leitmayrs Welt schwer ins Schwanken. Nicht nur zweifelt er, ob er zu seiner Zeit der einzige war, er hat naturgemäß auch jede Menge Ärger mit seinem Chef an der Backe. Der suspendiert ihn vom Dienst, was einen Fernsehermittler natürlich nicht davon abhält, auf eigene Faust den Dingen nachzuspüren.
Es geht Schlag auf Schlag in diesem „Tatort“. Gab es früher im Verhältnis der Kommissare ein bisschen viel Gemächlichkeit, so hat Regisseur Max Färberböck diese von ihm selbst gemeinsam mit Catharina Schuchmann geschriebene Story nachgerade atemlos inszeniert. Mit Liebe komponierte Bilder werden rasant aneinander geschnitten, es überstürzen sich die Ereignisse, doch es steht nicht nur die Jagd nach dem Mörder im Mittelpunkt.
Vielmehr geht es lange um die Frage, wie es eine Frau schaffen konnte, so viele Männer so nachhaltig zu betören. Jeder, der bei ihr war, hat sich eingebildet, sie sei nur für ihn auf der Welt, jeder hat ihre innere Größe für seine eigene gehalten. Auch Leitmayr, den Färberböck innerlich verwahrlosen lässt, weil er schwer trägt an seiner Nachlässigkeit. Kurz vor dem Mord hat ihm die einstige Geliebte nach langer Zeit der Kontaktlosigkeit auf den Anrufbeantworter gesprochen, doch er hat nicht reagiert.
Udo Wachtveitl gibt der Figur des Franz Leitmayr die nötige Verlorenheit während Miroslav Nemec als Batic bei den Ermittlungen eine ungewohnte Dringlichkeit an den Tag legt. Die beiden sind es, die diesen überaus packenden Film tragen, die auch vergessen lassen, dass es bei den Nebenfiguren noch hapert. Kalli, der neue Assistent der beiden, wirkt in der Mehrheit seiner Szenen wie ein ADHS-Kind, das um Ritalin bettelt, und die neu eingeführte Fallanalytikerin steht meisten herum wie bestellt und nicht abgeholt. Besonders nervt die Figur des Polizeichefs, der besonders laut jammert, weil er nicht weiß, was er der Presse erzählen soll. Solche Hierarchen gibt es nur im „Tatort“, und wenn die echten Polizeichefs mal etwas Sinnvolles tun wollen, dann teilen sie bitte mal den „Tatort“-Machern mit, dass man Druck auf Ermittler anders ausübt als mit solch hundserbärmlicher Jammerei von der bösen Presse, die arme Polizeichefs so sehr unter Druck setzt.
Aber all das trübt den positiven Gesamteindruck nicht. Man bleibt als Zuschauer dabei, weil man wissen will, wer es war, und am Ende quält weiter die Frage, wie es denn nun weitergeht mit dem Franz Leitmayr. „Wir schaffen das, Franz“, sagt Ivo Batic, aber es bleiben Zweifel.