Herr Dempsey, wenn wir einen Blick auf die Entwicklung von BBC Worldwide in den vergangenen Jahren werfen. Was unterscheidet das Unternehmen heute von BBC Worldwide vor zehn Jahren?
Sehr viel. Wir haben das Unternehmen vor einigen Jahren grundsätzlich neu aufgestellt, um gezielt das Potential nicht englischsprachiger Märkte zu erschließen. Zuvor bestand der Großteil unseres Geschäfts aus unseren Aktivitäten in Großbritannien, den USA und Australien bzw. Neuseeland. Mein Job war es, den Rest der Welt für die BBC zu erreichen, um unsere Shows in die Welt zu tragen, damit die Marke BBC zu exportieren und letztlich unseren Umsatz anzutreiben. Das ist die Reise, auf der wir uns befinden.
Netflix und andere SVoD-Plattformen beflügeln die Fantasie vieler Distributoren. Können die neuen Player im Markt denn halten, was sich Verkäufer von Ihnen versprechen?
Es ist für uns bereits ein großer Teil unseres Sales-Geschäfts. Im vergangenen Jahr hat der Umsatz mit digitalen Plattformen um über 30 Prozent zugenommen. Mehr als 200 Prozent in den vergangenen drei Jahren. SVoD-Plattformen sind also nicht bloß eine nette Ergänzung sondern für bereits ein fundamentaler Bestandteil unseres Geschäfts bei BBC Worldwide. Für die Marke BBC macht es keinen Unterschied, wie die Zuschauer unsere Produktionen künftig sehen wollen. Wir handeln mit Inhalten. Das ist nur ein Schalter im Kopf, den man umlegen muss. Aber wenn man das verinnerlicht hat, dann ist die daraus resultierende Frage einfach: Wie erreichen wir das größtmögliche Publikum? Wir haben kein Dogma bei der Frage, wie unsere Sendungen zum Zuschauer kommen sollen.
Wie kommen sie denn zum Zuschauer? Sie verkaufen ihre Produktionen - und betreiben in einigen Märkten auch gerade erst neu positionierte Sender unter der Marke BBC.
Der traditionelle Weg, immer noch der größte Teil unseres Geschäfts, besteht darin, Zuschauer über einen lokalen Partner zu erreichen, dem wir unseren Content verkaufen. Das ist ein sehr wertvolles Geschäft für uns, aber es gelingt nicht immer, auf diesem Wege die Marke BBC zu transportieren. Wir kriegen nur bedingt Credit, weil wir dem Publikum gegenüber nicht der direkte Absender sind.
Deshalb in einigen Märkten die eigenen Sender…
Es gibt eine begrenzte Anzahl an Märkten, in denen es Sinn macht, über den Verkauf einzelner Produktionen hinaus zu gehen und durch eigene Sender einen eigenen Zugang zum Publikum zu etablieren. Das ist für uns aber kein höheres Ziel, welches wir grundsätzlich anstreben und als wertvoller erachten als den Content-Verkauf. Es gibt eine Vielzahl an Märkten, in denen wir also keinerlei Ambitionen haben, ins Sendergeschäft einzusteigen. Aber wenn es passt, schauen wir uns das genau an.
Was muss denn passen?
Wenn wir das Gefühl haben, dass die Bindung zur Marke BBC in einem Markt größer sein könnte oder sich ökonomisch betrachtet das Pay-TV-Segment noch in einem vielversprechenden Wachstum befindet, dann haben wir mit BBC First, BBC Britain und BBC Earth drei starke Sendermarken. Es gibt aber auch die Möglichkeit, wie beispielsweise in Deutschland, eine Marke wie BBC Earth als Programmblock bei einem Partner zu platzieren. Oder als Over-the-top-Angebot für Smart-TVs. Es geht uns eben primär um Markenbildung, nicht notwendigerweise Senderbildung.
Sprechen wir über Inhalte: BBC galt lange in erster Linie als Absender für gute Dokumentationen. Das hat sich inzwischen auf andere Genres, besonders Serien, ausgeweitet - der „Sherlock“-Effekt könnte man sagen. Welche Genres sind für BBC Worldwide derzeit die wichtigsten?
(lacht) Der Sherlock-Effekt. Nun, Ihre Frage zu beantworten wäre so als wenn ein Vater sein Lieblingskind herauspicken sollte. Das sollte man wirklich nie tun. Ich mag natürlich all unsere Kinder. Wir sind aktiv in allen Genres, wie beim BBC Showcase in Liverpool zu sehen war und auch bei der MIPTV zu sehen ist. Im Wesentlichen sind es die drei Bereiche Premium Drama, Highend-Factual - dort insbesondere die Produktionen unserer Natural History Unit - und Entertainment. Wenn Sie sich Fahrplan der Natural History Unit anschauen, dann haben wir dort auch in den nächsten fünf Jahren jedes Jahr eine neue Leuchtturm-Produktion in der Pipeline. Da pflegen wir unsere Marke und bleiben dem Genre treu. Aber ich würde Ihnen zustimmen: Wir leben in einer vielversprechenden Zeit für herausragend produzierte Serien. Und ich würde soweit gehen und sagen: Britische Serien. Wir erleben derzeit eine Nachfrage nach britischen Drama-Serien, wie wir sie noch nie zuvor erlebt haben. Britisches Fernsehen hat ein Momentum.
Wie erklären Sie sich das?
Ich würde das auf das außerordentlich gute Handwerk der Beteiligten vor und hinter der Kamera zurückführen. Das britische Modell, etwa die geringere Folgenzahl pro Staffel, erlaubt mehr kreative Freiheiten als die industriellere TV-Produktion in den USA, wo trotz einer Bewegung in unsere Richtung immer noch in der Regel 22 Folgen pro Jahr so etwas wie der Richtwert sind. Dazu kommt eine Komplexität britischer Drama-Serien, wenn Sie sich "Sherlock" oder auch "Luther" anschauen.
Sie sind längst nicht mehr nur Distributor sondern selbst Produzent. Welche Rolle spielt dieses Geschäft mit der Koproduktion? Ist es derzeit noch mehr ein Hobby für BBC Worldwide?
(lacht) Das wäre ein kostspieliges Hobby, angesichts der vielen Millionen Pfund, die wir hier investieren. Also: Die Kosten von hochwertigen TV-Produktionen sind inzwischen so hoch, dass bei der Finanzierung neue Wege gegangen werden müssen. Einer davon ist die Co-Finanzierung durch den späteren Distributor. Es wird zunehmend schwierig für einen lokalen Auftraggeber, eine Produktion im Alleingang zu finanzieren. Deswegen rechne ich damit, dass wir hier immer mehr Partnerschaften sehen werden. Und für uns als Distributor hat das frühe Investment in Produktionen einen Vorteil gegenüber dem Verkaufsmandat für ein fertiges Produkt: Man kann die Expertise des internationalen Geschäfts einbringen und damit auch kreativ helfen.
In welchen Märkten sehen Sie für BBC Worldwide besonderes Wachstumspotential? Asien möglicherweise?
Wir wachsen in allen Märkten. Unser Geschäft in Asien wuchs im vergangenen Jahr von einem noch vergleichsweise geringen Level deutlich schneller als andere Märkte. Ich sehe spannende Perspektiven für BBC Worldwide in Asien, konkret in China. Da scheint es regelrecht einen Hunger nach Programm zu geben. Man schätzt besonders britisches Fernsehen und möchte zusammenarbeiten. Das freut uns - und gibt uns Verbindungen in den lokalen Markt dort.
Herr Dempsey, herzlichen Dank für das Gespräch.