Das hat bei "The Voice" hervorragend funktioniert, das Sie inzwischen in rund 50 Länder verkauft haben. Jetzt scheint aber die israelische Casting-Show "Rising Star" das neue heiße Ding auf dem internationalen Formatmarkt zu sein. Darüber haben Sie Ende 2013 in einem Interview gesagt, das Format ergebe für Sie nicht viel Sinn, habe Ungereimtheiten und seit 16 Wochen geschehe immer nur das Gleiche. Glauben Sie das noch immer? Oder haben Sie Ihre Meinung nach dem Ende der ersten Staffel in Israel und den vielen Formatverkäufen, u.a. an RTL in Deutschland, ABC in den USA oder ITV in Großbritannien, geändert?

Nein, das glaube ich noch immer. Wenn ich mir das israelische Format anschaue – das stimmt einfach in sich nicht. Da geht vieles schlicht und ergreifend mathematisch nicht richtig auf. Ich habe das Gefühl, dass die Israelis selbst von dem Erfolg überrascht waren und, während sie auf Sendung waren, gar nicht so genau wussten, wie die jeweils nächste Phase aussehen und wohin sich das Format entwickeln sollte. Aus den USA höre ich, dass bei ABC schon seit vier Monaten zehn Leute daran sitzen, das Format US-fähig zu machen. Ich weiß von einigen Sendern, dass sie im Fall von "Rising Star" bewusst defensiv eingekauft haben, weil sie "The Voice" zuvor verpasst hatten. Diese Sender merken jetzt, dass sie ein unfertiges Format gekauft haben.



An welchen neuen Formaten basteln Sie zurzeit?


In Holland arbeiten wir an drei bis vier neuen Formaten, die noch in diesem Jahr on air gehen sollen. Eines davon ist das Reality-Format "The Secret of a Good Marriage", das voraussichtlich Ende August anläuft. Fast in der gesamten westlichen Welt scheitern rund 50 Prozent aller Ehen innerhalb der ersten 14 Jahre. Wir machen ein Experiment, in dem es darum geht, ob man die langfristige Erfolgschance mit wissenschaftlichen Methoden vergrößern kann. Wir haben kürzlich angefangen zu drehen – auf der einen Seite mit zwei Ehepaaren, die vor einigen Wochen auf die natürliche Weise geheiratet haben und die sich schon vorher länger kannten. Auf der anderen Seite haben wir zwei Paare, die wir aufgrund von ausgeklügelten wissenschaftlichen Methoden bis hin zu MRT-Gehirnscans zusammengebracht haben. Diese Männer und Frauen hatten sich beworben, weil sie trotz ernsthafter Versuche ihren idealen Partner noch nicht gefunden haben. Die überlassen es nun der Wissenschaft, treffen sich zum ersten Mal im Moment ihrer Hochzeit, verbringen dann einen gemeinsamen Honeymoon und ziehen anschließend in eine gemeinsame Wohnung.

Und das Format muss dann 14 Jahre laufen, um die Frage zu beantworten...


Nein, das wäre ein bisschen zu lang kalkuliert. (lacht) Wir bauen über einen Zeitraum von mehreren Monaten ganz viele Druckmomente auf, die normalerweise über Jahre verteilt auftreten würden. Die Paare bekommen zum Beispiel für zwei Wochen ein kleines Kind zur Pflege. Sie müssen innerhalb von zwei Tagen ein Abendessen für acht Freunde organisieren oder eine Rallye fahren. Wir nennen das "Pressure Cooker"-Elemente. Damit wollen wir herausfinden, wie stark und krisenresistent die Verbindung wirklich ist.

Was vielen noch nicht so bewusst ist: Talpa ist inzwischen auch als Fiction-Produzent erfolgreich, vor allem mit der Dramedy-Serie "Divorce", die Sie jetzt nach Deutschland exportieren und hier für RTL adaptieren.


Wir fangen in diesen Tagen mit den Dreharbeiten für die deutsche Version an und drehen 13 Folgen für RTL. Die Geschichte ist universell: Drei Männer zwischen Mitte 30 und Mitte 40, die eigentlich nichts gemeinsam haben, ziehen vorübergehend zusammen, als jeder von ihnen mitten in einer schweren, unerwarteten Ehe- bzw. Beziehungskrise steckt. Ihr Plan ist, nur solange zusammen zu wohnen, bis ihre Probleme gelöst sind. Doch aus der Kurzfristlösung wird eine tiefe Freundschaft, die alle drei an einen neuen Punkt in ihrem Leben führt. Auch das ist ein erprobtes Format, das wir jetzt internationalisieren. In Holland ist die zweite Staffel vor zwei Wochen mit einer Rekordquote von über zwei Millionen Zuschauern angelaufen. Das ist ein starkes Konzept mit sehr emotionalen und witzigen Scripts.

Mit welchem lokalen Produktionspartner setzen Sie "Divorce" in Deutschland um?


Wir produzieren gemeinsam mit unserem bewährten deutschen Joint-Venture-Partner Schwartzkopff TV. Diese Zusammenarbeit soll künftig noch enger werden. Nachdem wir kürzlich schon in Großbritannien, Skandinavien und Italien eigene lokale Gesellschaften unter der Marke Talpa als Joint Ventures mit unseren dortigen Partnern gegründet haben, bereiten wir derzeit die Gründung von Talpa Deutschland als Joint Venture mit Schwartzkopff TV vor. In dieser neuen Gesellschaft wollen wir dann künftig "The Voice of Germany", "The Voice Kids", "Jungen gegen Mädchen", "Divorce" und weitere Formate produzieren.

"Apollo hat uns ein so unglaublich gutes Angebot gemacht, dass unser Investment in Endemol sogar noch richtig attraktiv geworden ist"

John de Mol


Glauben Sie, dass Fiction-Formate das gleiche Potenzial auf internationale Ausbreitung haben wie Entertainment- und Reality-Formate?


Ob sie genauso groß werden können, weiß ich nicht. Aber prinzipiell haben wir in der Fiction die gleiche Philosophie: Wir suchen nach Themen, die universell sind, so dass wir die Grundstruktur und die Bücher in verschiedenen lokalen Versionen neu produzieren können. Aller Voraussicht nach starten wir mit "Divorce" bald auch in Frankreich. Sogar ein paar Sender aus den USA haben Interesse signalisiert. Es geht nicht so schnell und nicht so einfach wie bei Entertainment-Formaten – aber es geht.

Zum Schluss müssen wir noch kurz auf Endemol zu sprechen kommen. Ist das Kapitel für Sie jetzt endgültig abgehakt, nachdem die US-Investmentfirma Apollo ein Übernahmeangebot an die restlichen Gläubiger des verschuldeten Endemol-Konzerns gemacht hat?


Ja, ich denke schon. Apollo hat uns ein so unglaublich gutes Angebot für unsere Anteile gemacht, dass unser Investment der vergangenen Jahre am Ende unter rein finanziellen Gesichtspunkten sogar noch richtig attraktiv geworden ist. Damit ist für mich das Thema Endemol endgültig abgeschlossen. Eigentlich war es das schon vorher, denn das Investment lief ja nur über die Investmentfirma Dasym. Das ist wie nach einer geschiedenen Ehe. Irgendwann sind die emotionalen Bindungen weg, vor allem, wenn man eine neue Liebe gefunden hat – und die heißt in meinem Fall Talpa.

Herr de Mol, herzlichen Dank für das Gespräch.