"Gab's denn zwischen Flüchtlingskrise, Brexit und Donald Trump nicht auch irgendwas Heiteres?" Ob diese Frage, die Günther Jauch irgendwann am Sonntagabend stellte, wirklich ernst gemeint war, ist nicht überliefert. Fakt ist allerdings, dass der Jahresrückblick, den Jauch zum nunmehr 21. Mal bei RTL präsentierte, eigentlich eher die umgekehrte Frage aufkommen ließ: Ist eigentlich zwischen all dem Heiteren auch noch irgendetwas von Belang passiert? Die Flüchtlingskrise zum Beispiel, der Brexit oder vielleicht zumindest Donald Trump? Vom neuerlichen Terror in Europa und dem Putschversuch in der Türkei mal ganz zu schweigen.
Nun, einen Anspruch auf Vollständigkeit haben die Show-Rückblicke bekanntlich noch nie erhoben, doch gemessen an dem Zündstoff, den 2016 mit sich brachte, geriet "Menschen, Bilder, Emotionen" dann doch ein ganzes Stück zu harmlos und egal. Gut, die Schauspieler Elyas M'Barek und Eric Kabongo durften ein paar Worte über Flüchtlinge verlieren, weil sie in diesem Jahr zufällig in einem Kinofilm zu sehen waren, der davon handelte. Sprachlos war M'Barek kurzzeitig aber nicht deshalb, sondern weil ihn Günther Jauch auf die "tragische Meldung" ansprach, wonach der Schauspieler neuerdings "vom Markt" sei. "Was soll ich dazu sagen?", fragte dieser schließlich ungläubig.
Ansonsten sprach der allgegenwärtige CDU-Mann Wolfgang Bosbach zusammen mit seiner Tochter über seinen bevorstehenden Rückzug aus der Politik, Ilka Bessin erzählte von ihrem Leben nach Cindy aus Marzahn sowie Günther Jauchs geplatzter Hose – und die Ereignisse der Kölner Silvesternacht wurden im Gespräch mit zwei Opfern vermutlich auch deshalb so schnell über die Bühne gebracht, damit der anschließende Werbeblock gerade rechtzeitig zu Ende ist, um ein paar heimatlose "Tatort"-Zuschauer für die Show zu gewinnen.
Nicht mal die obligatorischen kuriosen Geschichten waren in diesem Jahr kurios genug, um sich ernsthaft ins Gedächtnis zu brennen. Ein Mann, der seiner Frau per Blitzer-Foto einen Heiratsantrag machte, drei Kinder, die auf dem Papamobil des Papstes mitfahren durften und ein junger Engländer, der einen Umweg von 1.700 Kilometern fliegt, um ein paar Pfund zu sparen, waren dann auch schon die verrücktest möglichen Gäste, die die Produktionsfirma i&u an diesem Abend auftreiben konnte. Immerhin hatte man zwischen Howard Carpendale und Udo Lindenberg mit Robbie Williams noch einen Musiker auf der Bühne, der Teile des Studio-Publikums mit Küssen bei Laune hielt.
Auch sonst dominierte das Erwartbare: Toni Kroos schaute im Studio vorbei, um mit Günther Jauch eine ziemlich uninspirierte Runde Fußball-Darts zu spielen und die Tennis-Spitzenreiterin Angelique Kerber trat wenig später gegen den Moderator im Bratpfannen-Tennis an. Dass Olympia-Sieger Fabian Hambüchen zuvor eine Übung am Reck vorturnen durfte, versteht sich freilich von selbst. Umso überraschender allerdings, dass der Formel-1-Sender nicht den frisch gekürten Weltmeister nach Hürth karrte und Nico Rosberg stattdessen am Abend zuvor im ZDF den ersten TV-Auftritt nach seiner Rücktrittsankündigung hatte.
Wer die zurückliegenden elf Monate verschlief und erst zu "Menschen, Bilder, Emotionen" wieder erwachte, lief also Gefahr, 2016 für ein extrem ereignisloses Jahr zu halten. Man möchte daher gar nicht wissen, was noch alles hätte passieren müssen, damit RTL seinen Jahresrückblick mit etwas mehr Relevanz versieht. Und so bleibt nach einem langen Abend vor allem eine Frage: War was?