So absurd wie die Serie beginnt, bleibt es auch eine lange Zeit: Familienvater Joe (Tom Goodman-Hill, "Everest") hält wortwörtlich nicht einen Tag länger ohne seine verreiste Frau Laura (Katherine Parkinson, "IT Crowd") aus und geht mit seiner kleinen Tochter Sophie shoppen - nämlich einen weiblichen "Synth". Ein Synth ist ein Android, der als Haushalts- oder Pflegehilfe, als umgängliche Arbeitskraft im Supermarkt oder auch als emotionslose Prostituierte verwendet werden kann. Anita wird die neue Mitbewohnerin getauft, die Papa Joe allem Anschein nach nicht nur wegen ihren Qualifikation, die Bude sauber zu halten, in die Familie aufgenommen hat. Vater und Teenie-Sohn Toby (Theo Stevenson, "Millie Inbetween") erwischen sich nämlich nicht selten dabei, den attraktiven Roboter anzuschmachten. Mutter Laura ist bei ihrer Rückkehr dementsprechend angefressen und kann ihre rebellische Tochter Mattie (Lucy Carless, "Suspects") verstehen, die sich als absoluter Synth-Gegner herausstellt.
Diese Szenerie klingt vertraut? Das könnte daran liegen, dass die britisch-amerikanische Version "Humans" im Grunde nichts anderes ist, als eine Inspiration der schwedischen Erfolgsserie "Real Humans". Amerikaner untertiteln nunmal keine anderen Filme und Serien, sondern drehen sie lieber mit eigenen Schauspielern für den heimischen Markt noch einmal nach, was viele Produktionen nicht gerade besser machen. Ab und an kommt es allerdings trotzdem vor, dass ein Remake produziert wird, das nicht vollkommen unnötig ist und sich dank eigener Ideen eine gewisse Exiszenzberechtigung erschafft. Zu dieser Sorte darf sich auch "Humans" zählen.
Im Gegensatz zu "Real Humans" setzen die Showrunner Sam Vincent ("Spooks") und Jonathan Brackley ("Hotel Babylon") auf etwas mehr Tempo. Das beste Beispiel dürfte der Storystrang des Android-Liebhabers George Milican (William Hurt, "A History of Violence") sein. Das einzige Wesen, das dem älteren und brillanten Wissenschaftler noch zur Seite steht, ist das ebenso veraltete Synth-Modell Odi (Will Tudor, "Game of Thrones"). Ironischerweise soll der Mann, der selbst einmal an der Entwicklung der Synths teilgenommen hat, in seinen letzten Jahren nun von einem gepflegt werden - und dafür möchte eine Dame des staatlichen Gesundheitsdienstes Odi gehen und Vera (Rebecca Front, "War & Peace") kommen lassen. Wo im schwedischen Original einige Folgen benötigt werden, um das bizarre Gerüst dieser Dreiecksbeziehung wachsen zu lassen, wird den Zuschauern in der US-Adaption innerhalb kürzester Zeit deutlich gemacht, was Sache ist.
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Und nicht nur beim Tempo haben die Macher das Original etwas mehr aufgefrischt: Auch von seiner Kompaktheit her kommt "Humans" überraschend attraktiver daher als die Vorlage. Einer der großen Schwachpunkte des schwedischen Vorgängers war nämlich der Versuch, sehr viele Charaktere und ihre Geschichten organisch in den roten Faden miteinzuweben. Dadurch wurden immer wieder auch weniger interessante Gesichter in den Mittelpunkt gestellt. Das Vorhaben, sich im Falle von "Humans" auf weniger Protagonisten und Handlungsstränge zu konzentrieren, tut dem Projekt also sehr gut. Ebenfalls schön: Anstatt eine völlig absurde Sci-Fi-Geschichte zu erzählen, werden philosophische Alltagsfragen, ob man einen menschlichen Androiden beispielsweise wie ein "Ding" behandeln darf, oder wie wertig ein Mensch noch ist, wenn eine perfekte Maschine ihn ersetzen kann, ganz klar angesprochen.
Und so ist "Humans" also überraschend ansehnlich. Zwar zeigt HBOs neuestes Werk "Westworld" momentan, wie eine komplett aufpolierte Android-Story aussehen kann, doch fasziniert die Koproduktion von AMC und Channel4 vor allem mit dem Szenario einer für uns durchaus wahrscheinlichen Zukunft. Die ehtischen Fragen, die hier aufgeworfen werden, werden zwar nicht zum ersten Mal gestellt, doch schafft es "Humans" mit seinem Gesamtpaket aus schickem Sci-Fi, rustikalem Score und einem Mix aus alten und neuen Ideen eine Geschichte zu erzählen, die es sich lohnt, genauer anzuschauen. Denn wer weiß, wie schnell wir sie selbst erleben werden.
"Humans" startet heute um 22:10 Uhr mit einer Doppelfolge auf Vox