Man wusste ja schon immer, dass die im Osten ein bisschen verstiegen sind. Dass sie aber so verstiegen sind, wie es die neueste Episode des Weimar-„Tatort“-Teams belegt, mochte man bislang kaum glauben. Aber jetzt will man es glauben, weil es sich so, wie es ist, unglaublich richtig anfühlt. „Der treue Roy“ ist ein sehr feiner Film geworden, einer, der den Geist der Coen-Brüder atmet, der die Komödie bietet ohne den Krimi zu verraten, der die ganze Angelegenheit mit traumhaft getimten Mono- und Dialogen zielsicher ins Absurde treibt. Intelligenter konstruiert war der „Tatort“ schon lange nicht mehr.
Dabei beginnt alles beinahe konventionell. Zu Beginn steht Florian Lukas als Roy in einem Stahlwerk herum. Er schaut, wie die Kollegen mit dem glühenden Stahl hantieren und dann in die Pause gehen. Kurz danach wird in just diesem Stahlwerk eine zerschmolzene Leiche gefunden. Das muss Roy sein.
Die Kollegen gehen von Selbstmord aus, die herbeigerufenen Kommissare Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) tippen eher auf Mord und suchen Roys Schwester auf. Die wird gespielt von Fritzi Haberlandt, und genau wenn sie ins Bild kommt, beginnt der smarte Irrsinn höchst unterhaltsam Amok zu laufen.
Die Schwester fällt nämlich nicht ins übliche „Oh Gott“-„Er hatte doch noch so viel vor“-Geraune. Sie weigert sich vielmehr, die ihr präsentierten Tatsachen wahrzunehmen. Sie läuft gegen imaginäre Wände, sie ruft ihren Bruder, so als wäre der noch da. Sie reagiert so aberwitzig, dass dem Zuschauer schnell der Gedanke kommt, dass da doch noch mehr hinter stecken könnte. Tut es auch.
Wie sich das alles weiterentwickelt, wird wie üblich nicht verraten. Nur so viel: Es ist bei aller Skurrilität geprägt von großer Schlüssigkeit. Ja, alles sieht sehr schräg aus, aber irgendwie wirkt es doch auch sehr logisch in sich.
Das ist den Autoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger zu verdanken. Die knüpfen anfangs ein Netz, das sich mit zunehmender Spieldauer immer enger zieht. Regisseur Gregor Schnitzler nimmt den Faden kongenial auf und lässt dabei genau den Spielraum, den es braucht, um aus stinkiger Normalität das Besondere herauszufischen. Er kombiniert Konvention mit Chaos, macht aus toten Dackeln Hasen und lässt zwischendrin auch noch Matthias Matschke als unsympathischen Kriminaltechniker irrlichtern. Warum, weiß man nicht. Es verwundert aber auch nicht weiter.
Sicher ist auf jeden Fall, dass die beiden Kommissare, die ja bekanntlich privat ein Paar sind, das Beste sind, was diese Reihe zu bieten hat. Tschirner und Ulmen wissen, wie man Sätze sagt, wie man Seltsames ganz nebenbei fallen lässt und es auffängt, bevor es den Boden berührt. Er sagt „Kierkegaard“, sie sagt „Hölle.“
Das gibt der ganzen Angelegenheit eine gewisse Leichtigkeit. Die beiden sind keine, die was Lustiges sagen und dann die Ohren spitzen, um zu hören, wie ihr Knaller detoniert. Nein, sie sind schon längst weiter, wenn der Witz zündet, und sie destillieren ihren Humor aus großer Ernsthaftigkeit, streckenweise auch aus großer Tragik.
Das verleiht dem ganzen Film trotz seines lapidaren Grundtons eine große Dynamik. Und dann sind da noch Sätze, die sich für die Ewigkeit einbrennen, die man immer wieder sagen möchte, immer wieder hören möchte. Sie künden von Träumen, denen man anhört, dass sie gleich zerschellen werden, die aber nichtsdestotrotz von Willem zum ganz Großen zeugen. „That’s our Flugzeug in the Freiheit Baby, but we must before noch wat erledigen“, sagt zwischendrin jemand. Spätestens da hebt der Zuschauer ab. Besser geht’s nicht.