Es war 1:56 Uhr, als in der Nacht zu Sonntag Stefan Raabs Fernsehkarriere endete. Ein letztes Mal rockte er noch zusammen mit seiner langjährigen Studioband, den Heavytones, die Bühne – sang von Rudolph, dem Rentier, und trug dabei einen dicken Wintermantel und ein Geweih auf dem Kopf. "Ich hoffe, Sie hatten ein bisschen Spaß", sagte Raab, bevor er vorbei an seinen Mitarbeitern und unter großem Applaus des Publikums hinter die Kulissen entschwand. Es ist der Schlussakkord unter eine Karriere, die ihresgleichen sucht. Und getrost kann man Stefan Raab nach rund 20 Jahren, in denen er das Fernsehen bereicherte, wissen lassen: Ja, wir hatten Spaß. Nicht nur ein bisschen, sondern sogar sehr viel.
Bevor Raab sich – mutmaßlich – endgültig verabschiedete, nutzte er noch einmal die Gelegenheit, um die Grenzen des Fernsehgeschäfts zumindest für einen kurzen Moment außer Kraft zu setzen. Gerade hatte er dazu angesetzt, Whitney Houstons "One Moment In Time" höchstselbst zum Besten zu geben, da geriet er ins Stocken. Ausgerechnet das Wörtchen "Eternity", also Ewigkeit, schien im entfallen zu sein. Was folgte, war ein Testbild. "Stefan Raab ist gleich wieder für Sie da. Bitte haben Sie noch etwas Geduld", ließ die Stimme aus dem Off die Zuschauer wissen. Und: "Im Moment sind alle Fernseher besetzt. Der nächste freie Fernseher ist für Sie reserviert." Eineinhalb Minuten lang ging das so.
Das muss man sich mal vorstellen: Während ein Millionenpublikum nachts um kurz vor 2 vor dem Fernseher ausharrt, um Raabs letzten Worten zu lauschen, lässt dieser erst mal eine halbe Ewigkeit eine Störtafel einblenden, um sich in Ruhe das Geweih aufzusetzen. Dass kann nur machen, wer völlige Narrenfreiheit besitzt und sich dieser sehr wohl bewusst ist. So gesehen war es ein großer Abschied, den Stefan Raab zu nächtlicher Stunde in seinem Studio in Köln-Mülheim hinlegte – auch wenn man als Zuschauer kaum glauben mag, dass dieser Mann, der eigentlich immer da war, plötzlich für immer von der Bildfläche verschwunden sein soll. Das Publikum mit diesem Gefühl zurücklassen, ist allerdings ein untrügliches Zeichen dafür, dass Raab den richtigen Moment für seinen TV-Abschied gewählt hat.
Zuvor hatte das Finale von "Schlag den Raab" noch einmal weit mehr als fünf Stunden lang glänzende Unterhaltung geboten – vor allem weil es ein Finale voller Gewinner war. Obwohl oder gerade weil es Raab diesmal mit gleich 15 verschiedenen Gegnern zu tun bekam, stahl niemand von ihnen dem Meister die Show. Auch auf große Stargäste, die womöglich noch heller hätten strahlen können als der Strahlemann selbst, wurde offensichtlich ganz bewusst verzichtet. Dass Raabs Kontrahenten allesamt zufällig aus dem Publikum ausgewählt wurden, erwies sich übrigens auch deshalb als geschickter Schachzug, weil es der künftige TV-Rentner auf dieser Weise innerhalb einer Sendung mit ganz vielen verschiedenen Charakteren zu tun bekam.
Da war die junge Frau, die sich nach dem ersten verlorenen Spiel gegen Raab sogar über zwei Brettspiele aus dem Fundus freute, oder der motivierte Matthias, der den Entertainer in einem bis zur letzten Sekunde spannenden Kart-Rennen in Schach hielt. Mit dabei war aber auch einer, der an Hans-Martin erinnerte – jenen Kandidaten, der in einer der früheren Ausgaben fast das gesamte Publikum gegen sich aufbrachte. Dass am Ende ausgerechnet "Klackern" darüber entschied, welcher der sechs Raab-Bezwinger als frischgebackener Millionär nach Hause gehen würde, war noch einmal einer dieser typischen „Schlag den Raab“-Momente, in denen ein ansich völlig unspektakuläres Spiel plötzlich für große Spannung sorgte.
Dem Kandidaten ist die Million zu gönnen, auch wenn er schon zu Beginn der Show damit drohte, mit seinem Gewinn den Ballermann-Sänger Mickie Krause kaufen zu wollen. Dafür freute er sich von ganzem Herzen, als er sein Duell gegen Raab gewann. "Leck mich am Arsch, ich geh kaputt", jubelte er und fragte dann noch, ob er die Kohle nun versteuern müsse. Doch auch sonst bot „Schlag den Raab“ zum Abschied glänzende Unterhaltung. So auch in jenem Moment, in dem Raab den Spieß plötzlich umdrehte und den sonst gerne stichelnden Frank Buschmann zum Dosenschießen antreten ließ – während er, in bester Buschi-Manier, das Versagen des langjährigen Show-Kommentators genüsslich und mit hämischem Grinsen auseinandernahm.
"Manchmal kann ich dir echt nicht mehr zuhören", ätzte Raab aus der Kommentatoren-Kabine, woraufhin Buschmann auf der Bühne unter dem Licht der Scheinwerfer konterte: "Schmeiß mich doch raus.“ Das Spiel zog sich zwar – doch das Wort-Gefecht besaß dafür einen umso höheren Unterhaltungswert. Aber auch Moderator Steven Gätjen machte einmal mehr eine gute Figur. Er wies Raab in die Schranken, wenn es mal wieder nötig war, überzeugte aber auch mit der bisweilen kuriosen, ja beinahe schon staatstragenden Auswahl der Studiokandidaten. Böse, aber gleichzeitig gut, wie er gleich mehrfach potentielle Kandidaten überging, als sich herausstellte, dass sie doch nicht so recht dem gewünschten Anforderungsprofil entsprachen.
Der Star des Abends war aber natürlich Stefan Raab, der nach seinem tränenreichen Abschied bei "TV total" diesmal die ganz großen Emotionen auf der Bühne recht gut zu verstecken wusste. Eines aber wurde am Samstagabend noch einmal deutlich: Ohne Raab wird das deutsche Fernsehen um eine bunte Facette ärmer sein. Selbst sein Testbild war lustiger als manches Regelprogramm. Danke für viele schöne Fernsehstunden. Mach et jot.