Unterricht im Krankenhaus. Ausreden dafür gibt es keine, weiß Leo („Du kannst nicht mal eben krank machen“) und rollt ins Klassenzimmer. Er hat ein Bein an den Krebs verloren und sitzt im Rollstuhl. Neben ihm lauscht die magersüchtige Emma dem Unterricht.
- Leo: „Du siehst ja aus als hättest du 10, 20 Gramm zugenommen - nicht dass Du den Mädchen auf der Station noch alles wegfrisst“
- Emma: „Vielen Dank, ihr Krüppel seid echt charmante Typen“
- Leo: „Ja, wir sind nur immer so ein bisschen… unausgeglichen.“
Mit Galgenhumor und viel Charme bricht die erste eigene Vox-Serie immer wieder ihre bewegende Geschichte über eine Gruppe Jugendlicher, die im Krankenhaus eine Bande gründen, eben den „Club der roten Bänder“. Die Idee entsteht als der vorlaute Leo (gespielt von Tim Oliver Schultz) einen Zimmernachbarn erhält, der vor sich hat, was er schon durchleben musste: Jonas (Damian Hardung) wird ein Bein amputiert. Sie feiern eine Abschiedsfeier für das Bein und es reift die Erkenntnis, dass man das Leben im Krankenhaus besser zusammen durchstehen kann („Du kannst hier drin an Krebs sterben, aber auch an Langeweile“). Die Arm-Bändchen, die man bei einer Operation erhält, werden zum Namensgeber des Clubs.
Zu dem gehören neben Leo, Jonas und Emma (gespielt von Luise Befort) auch der arrogante Schnösel Alex (Timur Bartels) sowie mit Toni (Ivo Kortlang) und Hugo (Nick Julius Schuck) zwei besondere Mitglieder: Toni ist „etwas ganz Besonderes“, wie sein Großvater es umschreibt. Er ist Autist. Über die absurd-amüsanten Situationen, die Toni durch seine Direktheit schafft, darf man bei „Club der roten Bänder“ ebenso lachen wie über Krüppel und Magersüchtige. Warum? Weil es die Kinder im Krankenhaus nicht anders machen. Es ist ihr Ventil und wirkt für uns als Zuschauer im gleichen Maße. Hugo hingegen liegt im Koma - und tritt als Erzähler aus dem Off auf. Wie er dennoch mit den anderen Mitgliedern des Clubs kommuniziert, sei an dieser Stelle nicht verraten.
Über Ärzte, ihre Arbeit und Liebeleien gibt es unzählige Serien. Diese hier gehört ganz den jungen Patienten. Einen Fall der Woche gibt es nicht. Stattdessen erleben wir ein Drama, das von einer Sekunde auf die anderen herzergreifend komisch und dann wieder so tragisch ist, dass man es kaum besser beschreiben kann als eine emotionale Achterbahnfahrt. Wir lachen plötzlich über Krebs und bangen um einen furchtbaren Unsympathen. Das liegt auch daran, dass die Charaktere der Serie in der ersten Doppelfolge bereits hervorragende eingeführt werden. Dass jeder im Club eine Rolle zugesprochen bekommt, hilft.
Doch nur weil die jungen Patienten im Alter von 12 bis 17 Jahren im Mittelpunkt stehen, ist „Club der roten Bänder“ keine Jugendserie. Das ist vielleicht das gefährlichste Missverständnis an der Produktion. Lassen Sie diese Schublade ebenso zu wie die der klassischen Krankenhausserie und machen sich selbst ein Bild von dem, was die Autoren Arne Nolting und Jan-Martin Scharf aus der spanischen Vorlage gemacht haben. Von der Optik über die Geschichte bis zu den Charakteren und Timing überzeugt die Serie mit der Vox als erster Privatsender der zweiten Generation ein fiktionales Prestige-Projekt vorlegt. In einer Analyse des deutschen Fernsehmarktes fragte unser Chefreporter Torsten Zarges im Februar 2014 noch „Wo bleibt das deutsche Serien-Schlaraffenland?“
Mit Blick auf die vor einigen Jahren maßgeblichen Impulse der US-Kabelsender für den dann folgenden Serien-Boom in den USA, bemerkte Torsten zwar abseits der großen Sender zaghafte Versuche wie „Add a friend“ bei TNT Serie und fragte dennoch: „Warum aber nicht bei wirtschaftlich solide aufgestellten und als Vollprogramm lizenzierten Sendern der zweiten Privat-TV-Generation wie Vox oder kabel eins?“ Bernd Reichart war damals gerade einmal seit einem Jahr neuer Geschäftsführer von Vox, doch den Wunsch eine deutsche Fassung von "Polseres vermelles" zu drehen, hatte er schon Anfang 2014, wie er später erzählt. Reichart kennt das spanische Original schließlich gut - er hat es in seiner Zeit beim RTL-Sender Antena 3 entdeckt.