Dieser Untertitel! Der hätte nun wirklich nicht sein müssen. Der WDR hat seine neue Sitcom über die Familie Mockridge doch tatsächlich mit dem Beinamen "Eine Knallerfamilie" versehen. Das klingt eher nach Montagabend bei RTL II als nach Freitagabend im WDR - und wird dieser Produktion nicht im Ansatz gerecht. Denn die Mockridges haben nun wirklich nichts zu tun mit den Wollnys. Na gut. Abgesehen von der Tatsache, dass auch sie eine ziemlich große Familie sind. Gleich sechs Söhne haben "Lindenstraßen"-Urgestein Bill Mockridge und seine Frau Margie Kinsky großgezogen, und dank der Serie, die an diesem Freitagabend im Rahmen der wahnsinnig innovativen Innovationswochen im WDR ihre Premiere feiert, lässt sich auch für Außenstehende erahnen, wie der Alltag unter dem Dach eines Hauses in Bonn-Endenich in all den Jahren ausgesehen haben muss - und womöglich auch heute noch aussieht.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: "Die Mockridges" ist keine Dokusoap, sondern eine Serie nach Drehbuch, auch wenn man mitunter das Gefühl hat, tatsächlich in das Leben dieser "Knallerfamilie" (herrje, dieser Untertitel!) einzutauchen. Das liegt vor allem daran, dass sich die Mockridges selbst spielen. Sie tun das stellenweise so authentisch, dass es schon nach wenigen Minuten schwer fällt, diese Familie - und natürlich ihren Mops Berta - nicht ins Herz zu schließen.
Gedreht ist die Sitcom im Stile einer Mockumentary. Die Protagonisten sitzen also regelmäßig auf dem Sofa oder dem Bett und sprechen direkt zu ihren Zuschauern. Durch dieses Stilmittel liegt der Vergleich mit "Modern Family" natürlich nahe. Doch auch wenn es zunächst absurd klingen mag: Die Geschichten rund um die Mockridges müssen sich über weite Strecken hinweg gar nicht verstecken vor dieser fabelhaften amerikanischen Sitcom, die sich so wohltuend abhebt von all diesen spätpubertären Comedyserien mit ihrem Pennäler-Humor, die es in den vergangenen Jahren auch bei uns auf den Schirm geschafft haben. Freilich bietet auch die neue WDR-Sitcom manch platten Witz. Doch zwischen all den kleinen und großen Gags ist sie vor allem eines: Herzlich.
Das zeigt sich etwa in der vierten Folge, als sich Luke und sein Bruder Jeremy vorübergehend über den Ernst des Lebens und den Sinn der Familie unterhalten. Hier wird auch deutlich, dass dankenswerterweise nicht immer zwangsläufig auf die nächste Pointe hingearbeitet wird. Das meist sehr stimmige Drehbuch lässt Raum für Zwischenmenschliches. Und doch mangelt es nicht an unterhaltsamen Sprüchen und Dialogen, die der Serie eine schöne Dynamik verleihen. Als sich Luke mit Vater Bill im Armdrücken messen möchte, prahlt dieser stolz, seine Arme hätten schon Mutter Beimer über die Schwelle getragen. Dass er die Titelmusik der "Lindenstraße" als Klingelton verwendet, liegt natürlich nahe; dass seine Frau beim Erklingen des Sounds "die Krätze" kriegt, sorgt dann aber doch wieder für die nötige Fallhöhe.
Gleichzeitig gibt's auch einige Anspielungen auf den Medienbetrieb. Als eine WDR-Redakteurin von der viel zitierten "Eroberungszielgruppe" spricht, erntet sie von den Mockridges nur ratlose Blicke, und beim gemeinsamen Kiffen mit Ingmar Stadelmann gibt der Moderator freimütig zu: "1Live - da kannste durchmachen und immer noch moderieren." Innerhalb von nicht mal einem Jahr haben WDR und die Verantwortlichen von HPR Bild & Ton und Warner Bros. eine temporeiche Sitcom entwickelt und gedreht, die - anders als es so mancher Trailer im Vorfeld vermuten ließ - zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt oder gar peinlich daherkommt. Etwas peinlich ist allenfalls dieser blöde Untertitel. Den nimmt man allerdings gerne in Kauf, denn immerhin gehört "Die Mockridges" schon jetzt zu den amüsantesten Sitcoms, die in den letzten Jahren hierzulande entstanden sind.