Die erste Staffel "True Detective" hatte mich umgehauen: Ich war hingerissen von den morbiden Bildern, fasziniert von den kaputten Charakteren, gefesselt von den Geschichten und der Art des Erzählens. Und erst überrascht und dann begeistert von Matthew McConaughey. Was die Serie für mich auch so gut machte: Dass sie nach einer Staffel abgeschlossen war. Montagfrüh ist die zweite Staffel gestartet, und ich war lange hin- und hergerissen, ob ich sie überhaupt sehen will. Kleiner Vorgriff: Ich habe sie angeschaut, aber dazu komme ich später.
Warum gibt es eine zweite Staffel? Was ist der Sinn von abgeschlossenen Geschichten, wenn es danach doch weitergeht? Wäre es nicht ehrlicher, der neuen Mini-Serie einen neuen Namen zu verpassen? Es spielen ja noch nicht einmal dieselben Schauspieler mit, wie es bei "American Horror Story" der Fall ist.
Die Macher dieser Serie haben das Mehrere-Staffeln-trotz-beendeter-Story-Problem sehr elegant gelöst: Es sind dieselben Hauptdarsteller, die in jeder Staffel immer wieder neue Charaktere in einem völlig anderen Setting spielen. Für mich als Zuschauerin ist es dann nachvollziehbar, warum auf jeder Staffel das Label "American Horror Story" klebt. Und: Es lockt die Zuschauer, weil sie sich an die Schauspieler gewöhnt haben, sie mittlerweile vielleicht mögen und es spannend finden, sie in einer anderen Rolle zu sehen.
Auch so, wie sie für die zweite Staffel von "Fargo" angekündigt ist, kann ich akzeptieren, dass der abgeschlossenen Geschichte um einen Auftragskiller eine weitere folgt.
Es soll sich um eine Bluttat handeln, die mehrere Jahrzehnte zurückliegt und in der ersten Staffel mehrfach erwähnt wurde, ebenfalls in der Region passierte und in der eine Nebenfigur aus der ersten Staffel eine sehr wichtige Rolle spielt. Unter diesen Voraussetzungen bin ich gespannt auf die Fortsetzung, die keine sein will - und freue mich sogar ein bisschen. Obwohl es wirklich schade ist, dass Allison Tolman nicht dabei sein wird - ihre Figur der Molly Solverson war zum Zeitpunkt der Bluttat noch nicht geboren.
Die tapfere Polizistin Molly Solverson hatte ich ins Herz geschlossen. Und werde sie nicht wiedersehen - ich als Zuschauerin muss mich bei abgeschlossenen Staffeln an immer neue Charaktere gewöhnen. Das ist emotionale Arbeit, die ich vielleicht nicht immer investieren will. Dieses Problem hat die ewige Vorzeige-Serie "The Wire" viel besser gelöst.
Die einzelnen Staffeln konzentrieren sich auf unterschiedliche Kreise in Baltimore - den Drogenhandel, die Stadtverwaltung, das Schulsystem, das journalistische System - und doch tauchen bestimmte Charaktere immer wieder auf. Und es sind nicht nur die Ermittler, die jedes Mal eine Rolle spielen, sondern auch andere Figuren, deren Leben weiterverfolgt wird. So fällt mir als Zuschauerin der Zugang zu den Geschichten leichter.
Warum Anthologien aus Sicht der Macher reizvoll sind, ist einleuchtend: Große Stars lassen sich leichter überzeugen, wenn sie nicht für mehrere Jahre gebunden sind, sondern wissen, dass nach einem Jahr Schluss ist. Das gilt für Schauspieler wie für Regisseure. Ob ein Matt Dillon bei dem neuen Mystery-Drama "Wayward Pines" zugesagt hätte, wenn es nicht als Mini-Serie angelegt wäre? Von Matthew McConaughey für "True Detective" oder Martin Freeman für "Fargo" ganz zu schweigen. Und dann ist da noch der Grund, dass sich eine Geschichte dicht und gleichzeitig detailliert erzählen lässt, wenn man sie nicht auf mehrere Staffeln vorplanen muss. Nic Pizzolatto hat bei der ersten Staffel "True Detective" für Aufsehen gesorgt, weil er mit der US-Tradition eines Autorenteams (dem sogenannten Writers' Room) gebrochen hat und die acht Folgen im Alleingang verfasste - seiner Meinung nach die beste Art, die Geschichte zu schreiben, wie er 2014 in mehreren Interviews gesagt hat.
Nic Pizzolatto hat auch die zweite Staffel "True Detective" geschrieben, allerdings ist ihm das - zumindest den ersten drei Folgen nach zu urteilen - weniger gut gelungen. Es steckt zuviel Klischee in den Figuren, was das Vergnügen, sich auf sie einzulassen, etwas mindert: Der korrupte Polizist Ray, der säuft, gewalttätig ist und dagegen kämpft, das Sorgerecht für seinen Sohn zu verlieren. Die ehrgeizige Ermittlerin Ani, die in einer Hippie-Kommune groß wurde, sich nach Recht und Ordnung sehnt und ein zerrüttetes Verhältnis zu ihrem Guru-Vater hat. Der schweigsame Verkehrspolizist Paul, der im Kriegseinsatz psychischen Schaden erlitten hat, darüber aber nicht reden will, sondern den Kick der Geschwindigkeit seines Motorrads braucht. Und der Slogan "Wir kriegen die Welt, die wir verdienen" ähnelt eher einem Kalenderblattspruch als einem tiefsinnigen Gedanken.
Doch die Bilder sind fesselnd, die Dichte der Verfolgungsjagden ist sehr niedrig - gemessen an der bisherigen Arbeit des Regisseurs Justin Lin - und die Geschichte eines Mordfalls samt Korruption und vielen Verstrickungen vielversprechend. Die Besetzung ist erstklassig, aber überrascht weniger, als es Matthew McConaughey im vergangenen Jahr tat: Colin Farrell spielt den zwielichtigen, kaputten Ray und damit das, was er eben gut kann. Vince Vaughn lässt in seiner Rolle als Unternehmer mit Mafiaboss-Vergangenheit in einigen Szenen Schauspielkönnen aufscheinen, das ich ihm bisher nicht zugetraut hatte. Faszinierend: Rachel McAdams als Ermittlerin Ani. Nur der Vorspann schafft es, das Niveau der ersten Staffel zu halten - mit "Nevermind" von Leonard Cohen als Titelsong. Die Messlatte für die zweite Staffel liegt eben eigentlich unerreichbar hoch.
Brauchen wir also eine zweite Staffel "True Detective"? Nein, nach drei Folgen sieht es nicht so aus. Aber jetzt, wo sie da ist, werde ich sie auch weitergucken - denn sie ist gut gemacht und spannend.
"True Detective" 2 ist zeitgleich zur Ausstrahlung in den USA immer montags auf Sky zu sehen.