Es war ein regnerischer Mittwoch, der 29. Mai 2013, als der WDR Rundfunkrat kreißte und am Ende einen Jungen gebar. Tom Buhrow war zum Intendanten gekürt worden, und in der anschließenden Pressekonferenz, wo ihn alle ehemaligen Kollegen ans Herz drücken wollten, sagte der aus dem Hamburger Exil zurückkehrende „Tagesthemen“-Moderator jenen verhängnisvollen Satz, der ihm wohl Zeit seines Intendantentums nachhängen wird. „Ich bring die Liebe mit.“

Jetzt, zwei Jahre nach jener Jubelveranstaltung, fragt sich so mancher, wo sie denn geblieben ist, die Liebe. Lagert sie irgendwo tief im Fundus der Anstalt? Oder trägt sie der Mann, der damals versprach, er werde sein Liftboylächeln niemals ablegen, immer noch mit sich, hält sie nur gut verborgen?

Man weiß es nicht. Sicher ist nur, dass die Euphorie der frühen Tage verflogen ist. Die große Hoffnung, dass nach den bleiernen Zeiten von Monika Piel der Aufschwung folgen werde, ist einer gewissen Nüchternheit gewichen. Lange schon ist Tom Buhrow im Alltag gelandet, in einem Betrieb, der gespickt ist von Konferenzen, austauschbaren Sonntagsreden und mehr oder minder brutalen Bestandsaufnahmen.

Die erste folgte nach hundert Tagen. Da überraschte Buhrow mit der Aussage, dass der WDR in ein paar Jahren zum Griechenland der ARD werde könne, wenn er nicht unverzüglich das Ruder rumreiße. Auf knapp 1,3 Milliarden Euro prognostizierte er den Fehlbetrag über mehrere Jahre, bei einem Jahresetat von rund 1,4 Milliarden Euro klang das nach mehr als nur einer mittleren Katastrophe.

An Sparaussagen war man im WDR gewöhnt. Schon zu Piels Zeiten mussten 50 Millionen Euro im Jahr gespart werden. Buhrow packte noch einmal 30 Millionen Euro drauf. Inzwischen ist der Spardrang unten angekommen. Kaum eine Redaktion, die sich nicht zehn Prozent ihres Etats aus dem Programmspeck schneiden musste. Schon damals nach hundert Tagen klang das mit der mitgebrachten Liebe ein wenig schaler.

Zur ernüchternden Bilanz gesellten sich zudem erste Fehler. So kündigte Buhrow an, den Kunstfundus des WDR aufzulösen. Das sollte drei Millionen Euro Ersparnis bringen, im Vergleich zum Gesamtetat eigentlich Peanuts. Es brachte ihm aber die Feuilletons des Landes an den Hals. Auf einmal galt der Junge aus dem WDR-Smaland als herzloser Kunstbanause.

Dann zeigte sich auch noch, dass die Macht eines Intendanten sehr begrenzt ist. Als es galt, die Direktorenposten im Hause zu besetzen, lagen eigentlich zwei Namen auf der Hand. Für das Fernsehen war schnell Jörg Schönenborn ausersehen. Ein prominentes Gesicht, einer, der weiß, was er nicht weiß, einer, der nicht beratungsresistent ist, der die Dinge in den Griff kriegt, das sah aus wie die perfekte Wahl als Fernsehdirektor.

Das aber brach dem stellvertretenden Hörfunkdirektor Jochen Rausch das Karrieregenick. Obwohl Buhrow den besten fürs Amt im Hause wusste, musste er sich gegen Rausch entscheiden und auf Geheiß des Rundfunkrates eine Frau für den Posten suchen. Er forschte lange und fand nichts. Dann entschied er sich für Valerie Weber von Antenne Bayern, eine Privatradiofrau durch und durch. Das brachte Buhrow heftige Proteststürme aus der Belegschaft ein. Denen hielt er aber stand, weil ihm das Wohlwollen seiner Gremiengremlins wichtiger schien.

Brav bekannte sich Valerie Weber danach zu den Werten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, was man halt alles so sagt, wenn man niemanden verschrecken will. Wie schon bei Monika Piel klaffen indes zwischen den Qualitätsschwüren und der Quotenpraxis tiefe Schluchten. Derzeit fürchten beispielsweise die Redakteure von WDR 5 um die Qualität ihres Programms. Der Nachmittag soll irgendwie fluffiger werden, heißt es, und das Meinungsmagazin „Politikum“ stehe zur Eindampfung an. Statt viermal die Woche frech eine halbe Stunde auch klare Meinungen zuzulassen, soll künftig nur noch eine Stunde pro Woche drin sein. Noch sind es nur Pläne, die da durchs Haus wabern, aber gut klingen sie erst einmal nicht. 

Auch auf anderen Feldern zeigte sich Buhrow schwach. Zwar gelang es ihm noch vor Amtsantritt, mit Thomas Roth einen WDR-Mann auf den Posten des „Tagesthemen“-Moderators zu hieven, aber danach verfiel er rasch wieder in jene Lethargie, die man aus den Piel-Zeiten gewohnt war. In der Runde der ARD-Intendanten gilt er nicht als starker Mann, da führen andere das größere Wort.

Schon seit geraumer Zeit sind keine Impulse mehr aus der WDR-Intendantenetage zu vernehmen. Stattdessen übt sich Buhrow vorwiegend in der Defensive. Er reagiert auf Vorwürfe anstatt eine eigene Agenda zu verfolgen.

Sehr schön zeigte sich das gerade, als Buhrow gehalten war, über Pfingsten die Gottschalk-Honorierung aus dem Jahr 2012 zu erklären. Er musste also wieder einmal in Monika Piels Rumpelkammer wühlen und dort Ordnung schaffen. Kein Wunder, dass der Mann zu nichts kommt, wenn er sich ständig um Altlasten kümmern muss.

Die Sache mit Gottschalks Geldern brachte zudem die freien Mitarbeiter des WDR auf den Plan. Die sehen sich durch allerlei Umstrukturierungen gegängelt und an den Rand gedrängt. Von beinahe schon prekären Arbeitsverhältnissen ist da schnell schon mal die Rede – in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt. Natürlich ist das übertrieben, aber ein bisschen was bleibt halt immer hängen.

Da mag es Buhrow ein bisschen beruhigen, dass wenigstens sein Fernsehdirektor funktioniert. Jörg Schönenborn schiebt vielerlei an und versucht so manches. Auch wenn dabei zwischendrin eigenartige Projekte wie das öffentliche Dilettieren auf YouTube („3sechzich“) herauskommen, ist doch hier und da auch Licht am Ende des Tunnels zu vermuten. Im Sommer will Schönenborn zeigen, was für Experimente der WDR sich wieder traut, und dass unsägliche Formate wie „Die schönsten Talsperren in NRW“ nicht mehr programmprägend sind, geht auch auf das Konto des Zahlenverkünders Schönenborn.

Solch einen Schwung müsste Buhrow eigentlich zu nutzen wissen. Stattdessen übt er sich ein wenig in Merkel-Manier. Er taucht zu wenig auf, er entscheidet zu wenig, und wenn er dann doch mal auftaucht, äußert er sich meistens auf Allgemeinplätzen. Von der einstigen Volksnähe ist nicht mehr so arg viel zu spüren.

Manche sagen, Buhrow verbarrikadiere sich immer häufiger in seinem Büro mit den Bob-Dylan-Postern. Vielleicht stimmt das gar nicht. Vielleicht ist die Antwort auf die Frage nach dem Aufenthaltsort von Tom Buhrow eine ganz andere. Er ist unterwegs im Sender und sucht die damals mitgebrachte Liebe. Im Interesse des WDR wäre zu wünschen, dass er sie bald mal findet.