Nun ist's offiziell: Für eine durchschnittliche "Wetten dass..?"-Sendung braucht es keinen Bagger, nicht mal kuriose Wetten. Sondern bloß einen gut gelaunten Thomas Gottschalk, der mit einem Best-of seiner bisherigen Show-Gäste und Wegbegleiter nett gemeinte Sticheleien austauscht, Tanzbewegungen zu Rockoldies andeutet und Hollywood-Prominenz per Smartphone-Grußbotschaft zuschalten lässt, damit die nicht wieder frühzeitig zum Flieger muss. Zumindest erinnerte so einiges in "Gottschalks großer Geburtstagsparty", die dessen derzeitiger Hauptauftraggeber seinem Star zum 65. schenkte, an eine Art "Wetten dass..? light". In der Rockmusicalversion.
Otto Waalkes und die "Friesenjungs" spielten "Satisfaction" und "Born to be Wild", Sarah Connor sang "Happy Birthday", Michelle Hunziker sang auch "Happy Birthday" und dann "It's My Life" von Bon Jovi, Status Quo spielten "Rockin' All Over The World" mit einem verkleideten Günther Jauch am Keyboard als Überraschung und von den Spätfolgen der Alfons-Schubeck-Version des John-Denver-Hits "Country Roads"-Version werden deutsche Ohrenärzte noch Jahre zehren können.
Aber so ist das halt an Ehrentagen: Gespielt wird, was dem Geburtstagskind gefällt. Erst recht, wenn das auf eine 40-jährige TV-Karriere zurückblicken kann. Seit Montagabend muss Thomas Gottschalk damit leben, dass in den Top 3 seiner ulkigsten TV-Peinlichkeiten außer dem Senftopfversenker und dem Borat-Höschen-Sprint aus ZDF-Zeiten künftig auch die tantige Verkleidung als angemaltem Papageno dazugehört, der mit Helium-Stimme und David-Garrett-Begleitung "Zauberflöte" singen muss, weil sich Lionel Richie per Videobotschaft genüsslich für eine alte Wetteinlösung revanchieren mag, bei der ihm ähnliches wiederfuhr. (Wenn Sie's nicht gesehen haben: Es wird noch Gelegenheit dazu geben.)
An Ausgelassenheit und Ehrgeiz fehlte es der fast dreistündigen RTL-Show, die live aus dem Berliner Admiralspalast gesendet wurde, also schon mal nicht. Und Gottschalk kann nachträglich den jungen Damen danken, die gerade noch rechtzeitig ihren geplanten Halbnacktauftritt für eine geplante "Tutti frutti"-Wette mit Gratulant Egon Hugo Balder (oder so) abgesagt hatten, was ab dem Mittag in den sozialen Medien bereits mittlelschwere Shitböen verursacht hatte.
Da sich so schnell offensichtlich kein Ersatz finden ließ (oder beim Sender jemand zur Vernunft gekomm... – nein, blöde Idee), ist der Quatsch einfach ausgefallen – und der Abend glücklicherweise kein peinlicher geworden. Sondern bloß ein etwas altmodischer.
Dabei hielten sich die Rückblicks-Filmchen an Gottschalks größte Karrieremomente sogar in Grenzen. Vielleicht, weil das ZDF die nicht aus dem Archiv rausrücken wollte. Irgendwer bei RTL ist deshalb auf die Idee gekommen, einfach vorrangig Gottschalks Privatfernsehen-Hinterlassenschaften zu zeigen: außer ein paar lange nicht gesehenen Late-Night-Schnipseln aus den 90ern vor allem einen überflüssigen Ausflug zum "Supertalent", wo Model-Moderatorin Lena Gercke auch schon mal Jurorin war, was sie als eine der ersten Gratulantinnen des Abends qualifizierte. Gleich nach Guido Maria Kretschmer, der Gottschalk erst für den Mut zum eigenwilligen Modestil beglückwünschte, um dann bei Ansicht der schönsten Beinkleider diverse Groblästereien loszuwerden ("Was für ein beschissener Look").
Schon nach 10 Minuten stand plötzlich aus unerfindlichem Grund Walter Freiwald auf der Bühne und hielt mit Panik im Blick eine lustig gemeinten Kurzvortrag, der auf seinen Dschungel-Wahnsinn anspielen sollte, bei dem aber im Publikum exakt niemand lachte. Und wahrscheinlich muss man von Glück sagen, dass Mario Barth nur telefonisch gratulieren konnte, weil der weite Weg von, äh, Berlin nun wirklich eine Zumutung gewesen wäre.
Kurz gesagt: RTL hat Gottschalks Fete einfach kurzerhand mit Eigenprominenz aufgefüllt, um die Sendezeit vollzukriegen. Worüber der Beglückwünschte souverän hinwegzusehen wusste, weil zwischendurch ja auch genügend alte Kumpels vorbeischauten und sonst vermutlich nicht so viele andere deutsche TV-Moderatoren von sich behaupten können, von Celine Dion, Arnold Schwarzenegger, Cher, Kylie Minogue und Ich-bin's-die-Heidi ferngratuliert zu bekommen.
Weil RTL ein weiteres Mal Barbara Schöneberger engagiert hatte, um Gottschalk live halbwegs im Rahmen zu halten, witzelte der bereits zu Beginn des Abends: "Ich mach ja nur noch betreute Moderation." Und Schöneberger revanchierte sich prompt mit dem Satz: "Wenn ich fünfmal zu Wort komme, ist es ein guter Abend geworden." Es sind dann ein paar mal mehr geworden. Gottschalk versuchte sich sogar mal kurz als Comedian, als er für ein kleines Filmchen mit Til Schweiger so tat, als habe er für die Hauptrolle in dessen Alzheimer-Dramedy "Honig im Kopf" vorgesprochen – und sich dabei in der eigenen Vergesslichkeit verheddert.
Kurz darauf endete der Abend baggerfrei, aber so versöhnlich, wie er begonnen hatte: Mit Tanzandeutungen zu Rockoldies, erschreckenderweise fast pünktlich – und mit der Erkenntnis, dass man dem Mann, über dessen Anwesen in Malibu Frauke Ludowig tags zuvor in "Exclusiv spezial" geschwärmt hatte, es sei "top-gepflegt", keine großen Geschenke zu machen braucht. Dreistündige Liveshows im deutschen Fernsehen reichen völlig aus.