Das Wesen der Medienkritik trägt eine kritische Grundhaltung in sich. Mal zurückhaltend klug und pointiert, manchmal bissig und böse. Aber heute? So wichtig gerade bei einem nachrichtlichen Großereignis wie dem Absturz von Germanwings-Flug 4U9525 die Beobachtung der Medien und ihrer Arbeitsweise ist, so wenig bedeutsam fühlt es sich über die Medienbranche hinaus an, ihre Arbeit im Detail zu analysieren. Es ist darüber hinaus auch nicht fair, nur Leistungen jener Medien zu bewerten, die man auch aufmerksam genug verfolgt hat. Angesichts der Vielzahl an Informationsquellen ist ein repräsentativer Überblick über die mediale Aufbereitung des Flugzeugunglücks also kaum möglich. Aber was nun? Deswegen schweigen?
Nein. Wenn man sich die Ohnmacht einer umfassenden Einordnung jeglicher Berichterstattung bewusst macht, bleibt schließlich trotzdem Trauer. Doppelte Trauer, weil es neben den 150 Menschen an Bord von Germanwings-Flug 4U9525 noch ein weiteres Opfer zu beklagen gibt: Den verhältnismäßigen Journalismus. Es fällt schwer einen Anfang und ein Ende des Irrsinns auszumachen, der sich heute in den deutschen Medien beobachten ließ. Wenige Minuten nach den ersten Meldungen füllten bereits Spekulationen eine Sendeminute nach der anderen bzw. einen Ticker-Eintrag nach dem anderen. Wie aus einem imaginären Lehrbuch für Spekulationen wurde alles aufgetischt: Wetter, menschliches Versagen, technischer Fehler. Noch bevor überhaupt eine Bestätigung des Unglücks vorlag, wurde über Ursachen spekuliert.
Soll man da froh sein, dass es erstaunlich lange gedauert hat, bis auch noch die im anglo-amerikanischen Bereich sonst sehr schnell gezogene Terrorismus-Karte gespielt wurde? Nein, das ist kein Trost. Schließlich wurde das am Nachmittag dann mehr als genug aufgeholt. Wer von den deutschen Nachrichtensendern wegzappte, der entdeckte bei BBC World News am Dienstagmittag einen Moderator der gerade in den ersten beiden Stunden immer und immer wieder ermahnte, klar zu trennen zwischen bestätigten Fakten und Spekulationen bzw. Behauptungen - schließlich, so sagte er, sei BBC World News auch an Flughäfen rund um den Globus zu sehen. Von so einer Reichweite können deutsche Nachrichtensender nur träumen. Von so viel Verantwortungsgefühl und Sendungsbewusstsein auch.
Beim Schreiben dieser Zeilen am späten Dienstagabend wirkt es rückblickend noch surrealer, dass bei der ersten Information über eine mögliche Katastrophe nicht die Bestätigung eben dieser Priorität hat, sondern die Spekulation über die Ursache jener Katastrophe, die man noch gar nicht erfassen kann. Als dann jedoch wenig später die Kamera-Teams den Düsseldorfer Flughafen überfielen, wurde es nicht besser. Antworten auf einen Absturz in Frankreich bekommt man kaum in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Aber wer braucht schon Antworten, wenn es Bilder gibt. Und wer das imaginäre Lehrbuch für Katastrophen kennt, der weiß: Hast Du keine Bilder der Opfer, filme die Hinterbliebenen (oder notfalls völlig Unbeteiligte. Hauptsache sie weinen). Erstaunlich wie viele Medien sich in der Gier nach Bewegtbild, das die Pausen zwischen den Spekulationen füllen muss, auch noch zur unverpixelten Verbreitung dieser Bilder hinreißen ließen.