Das halbe deutsche Fernsehen ist voll mit amerikanischen Sitcoms, und bisher hatten die Sender dem nichts Eigenes entgegenzusetzen. Zuletzt scheiterte Comedy-Großmeister Bully Herbig bei ProSieben mit dem Versuch, das Erfolgsgenre einzumünchnern (was auch daran gelegen haben könnte, dass sich "Bully macht Buddy" bloß als überlanger Kinofilm-Werbespot entpuppte). Jetzt glaubt der Bayerische Rundfunk, doch noch einen Weg entdeckt zu haben, um eigenproduzierte Sitcoms erfolgsfähig zu machen: indem man sie auf freier Programmbahn mit politischem Kabarett zusammenstoßen lässt und die Scherben anschließend als "Kabarett mit Sitcom-Charakter" zusammenklebt.
So zumindest will BR-Programmchefin Annette Siebenbürger die neue Satire-Hoffnung "3. Stock links – Die Kabarett-WG" verstanden wissen, die am Donnerstagabend erstmals auf dem frisch planierten Spaßsendeplatz im Ersten nach den "Tagesthemen" lief.
Dafür hat der Sender die Kulisse eines vermeintlich hippen Lofts im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg in ein Münchner Fernsehstudio bauen lassen, wo die drei Gastgeber Sebastian Pufpaff, Maike Kühl und Hannes Ringlstetter sich selbst, eine aufstrebende CDU-Referentin und einen arbeitslosen Musiker spielen, die auf senfgelben Sofas beieinander sitzen, Bier aus 33-Zentiliter-Flaschen nippen und abwechselnd aktuelle Begriffe aus den Nachrichten sagen: Pegida! Putin! ISIS! Griechenland! EZB! Bingo!
"Hochaktuell" und "politisch" soll das sein, stattdessen war es erstmal nur: verwirrend. Zum Auftakt kämpfte jeder der drei "Bewohner" darum, den nächsten Gag am schnellsten ins Ziel zu bringen. Ringlstetter saß im schwarzen "Je suis Hannes"-T-Shirt da (dem Rufnamen seiner WG-Figur) und fragte: "Wenn man sich von Mohammed kein Bild machen darf, dann vielleicht einen Duft?" – "Charlie No. 5?", sekundierte Pufpaff, verglich den Papst mit Katzenvideos ("geht mir auch langsam auf den Sack") und stand nachher in Nazi-Uniform in der Wohngemeinschaft, um die vorhersehbare Schlusspointe zu erwarten, die sich in Gestalt des als Homestory-Reporters verkleideten Christian Tramitz mit letzten Kräften ins Ziel schleppte.
Nein, eine "Anstalt" ist "3. Stock links – Die Kabarett-WG" noch lange nicht – auch wenn genau das natürlich die Absicht war, um endlich dem ZDF etwas entgegensetzen zu können, das mit seinem Dienstagskabarett für Schlagzeilen sorgt und mit der "heute show" freitags für tolle Einschaltquoten. Um auch nur annähernd gleichzuziehen, wird es aber eher nicht reichen, auf Spiegel-Online-Startseitenschlagwörtern basierende Witze ins Publikum zu feuern, das schlussendlich am lautesten lacht, wenn Pufpaff Ringlstetter beim Suhsi-Essen mit Stäbchen belehrt: "Links ist der Löffel."
Dabei wäre in den vergangenen Wochen doch genug Zeit (und los) gewesen, um sich ernsthaft lustig mit dem Weltgeschehen auseinander zu setzen. Die gespielten Witze für die Sitcom-haften Zwischenszenen haben die Autoren schließlich eins zu eins aus der Testsendung kopiert, die der BR Anfang Dezember in seinem Dritten zeigte.
Kabarett braucht nun mal Haltung, erst recht, wenn es, wie in dieser Variante, vornehmlich im Sitzen vorgetragen wird. Und womöglich auch eine klarere Struktur als bei dieser Hautprogramm-Premiere. Würde sich "Die Kabarett-WG" weniger auf sich, sondern hauptsächlich auf ihr Programm konzentrieren, eine scharfe Kommentierung des politischen Geschehens und der gesellschaftlichen Zustände, also das, was sich gemeinhin "Kabarett" nennen ließe, hätten es Beteiligte und Zuschauer viel leichter, sich aneinander zu gewöhnen.
Immerhin ist es begrüßenswert, dass das Erste sich donnerstagspätabends gerade ungewohnt experimentierfreudig zeigt. Schon allein, damit am Ende nicht immer bloß Dieter Nuhr aus einem mit schlechtem Namenswortspiel betitelten Programm herausgrinst. Der Transfer von "Extra 3" ins Erste war ein erster Schritt, im Februar läuft erstmals "Olaf verbessert die Welt" und eine Woche zuvor dürfen nach Mitternacht sogar die Talente ran, die die ARD bislang ausschließlich in ihren Nebenprogrammen versteckt. "Die Fernseher – Willkommen im TV-Wahnsinn" sind die dreißig Minuten betitelt, in denen Jeannine Michaelsen, Pierre M. Krause und Philipp Walulis über das Medium spotten dürfen, in dem sie senden. "Eine Sendung, wie das literarische Quartett – nur halt zu dritt und ohne Bücher", lautet das Versprechen.
Wenn sich das durchsetzt, färbt es vielleicht auf "3. Stock links" ab. Das kann dann einfach als schnörkelloses Kabarett ohne WG weitermachen. Und das mit den Sitcoms überlassen wir ein für alle Mal den Amerikanern.