In den USA hat diese Sendung bereits tausende Arbeitsplätze geschaffen, weil fünf charismatische Investoren mehrere Millionen Dollar aus eigener Tasche auf den Tisch gelegt haben. Dutzende Gründerinnen und Gründer haben dank dieser Show-Idee aus dem Hause Sony Television die Chance bekommen, ein Unternehmen zu gründen oder ihre in der heimischen Garage begonnene Unternehmung auszubauen. Ende September startet drüben schon die 6. Staffel der am vergangenen Samstag in Los Angeles mit einem Emmy als bestes Structured Reality Program ausgezeichneten Sendung. Von Staffel zu Staffel verzeichnet „Shark Tank“, so der US-Titel, dabei steigende Einschaltquoten.

Für Deutschland ist das noch keine Erfolgsgarantie - ganz im Gegenteil. „Die Höhle der Löwen“ ist für Vox das größte Programm-Wagnis des Jahres. Eines, das unabhängig vom Zuschauererfolg aber schon jetzt Applaus verdient. Die neue Sendung ist Reality-TV im besten Wortsinne - und hebt sich dabei so deutlich von all dem ab, was man  unter diesem weitgefassten Label verstehen mag, dass Vox den Begriff lieber gar nicht erst benutzt. Dabei ist „Die Höhle der Löwen“ nun einmal reales Unterhaltungsfernsehen mit manchmal überzeugenden, manchmal tragisch scheiternden Gründern, realen Ideen und der tatsächlichen Chance auf echtes Geld der fünf „Löwen“.

Hier geht es zur Abwechslung nicht um blumige Versprechungen; nicht um vermeintliche Model-Karrieren oder toll klingende Plattenverträge, deren Wert sich im Nachhinein schon zu oft als fraglich entpuppt hat. Es geht eben nicht um die Selbstverwirklichung von meist jungen Menschen, die einfach nur gerne im Rampenlicht stehen wollen - koste es was es wolle. „Die Höhle der Löwen“ ist eine Plattform für manchmal praktische, manchmal kuriose Geschäftsideen und ihre mehr oder weniger leidenschaftlichen Erfindern. Es geht um Menschen, die bereits Geld, Zeit und Energie investiert haben und Arbeitsplätze schaffen wollen. Wenn sie einen oder mehrere Investoren durch ihre Präsentation und die anschließende Fragerunde überzeugen, können sie nicht nur hunderttausende Euro frisches Kapital einsammeln - sondern einen Mentoren finden, der beim Auf- oder Ausbau hilft.

Und die fünf Löwen sind so herrlich unterschiedlich. StartUp-Experte Frank Thelen und Familienunternehmerin Lencke Wischhusen sind die im Vorfeld vielleicht unbekannteren „Löwen“ - zwei Ruhepole zwischen Teleshopping-Queen Judith Williams, Reise-Unternehmer Vural Öger und Ex-Stuntman Jochen Schweizer. Sie alle bringen ihren Reize mit: Williams spaßt gerne bevor sie eiskalt abserviert, Öger spielt ohnehin nach eigenen Regeln und Schweizer ist so etwas wie der Philosoph unter den fünf Löwen. Mag der Lernprozess bei manchem teilnehmenden Unternehmer erst nach der Präsentation einsetzen - besonders wenn diese bei den Löwen durchfällt -, so lernt man als Zuschauer schon während der einzelnen Präsentationen viel und kann sich köstlich dabei amüsieren.

Die Höhle der Löwen© Vox

Das Format lebt vom Spaß an einem guten Pitch und der Schadenfreude, wenn dieser völlig daneben geht. Mal drückt man den Gründern die Daumen, mal ahnt man ihre Chancenlosigkeit schon, während sie sich in der Höhle noch aussichtslos um Kopf und Kragen reden. Was im Fernsehen auf vielleicht zehn Minuten zusammengeschnitten wurde, hat beim Dreh im Frühjahr durchaus mal eine Stunde pro Pitch gedauert - weil verzweifelte Gründer einfach nicht aufgeben wollten. Verständlich, schließlich geht es hier um nicht wenig. Diese Spannung ist gleichzeitig das große Wagnis: Will das deutsche TV-Publikum - wenn es die neue Sendung überhaupt findet - sich von Wirtschaft unterhalten lassen?

Karriere-Formate wie „The Apprentice“ sind in Deutschland gescheitert, weil anders als im anglo-amerikanischen Kulturkreis bei uns weder Leistung noch beruflicher Erfolg einen solch hohes Ansehen genießen und sehr schnell skeptisch oder neidisch beäugt werden. „Die Höhle der Löwen“ versucht dies zu verhindern, in dem man die Gründer in Einspielfilmen oder kurzen Interviews mit Moderator Amiaz Habtu näher vorstellen will - ein Element, dass es in der amerikanischen Version nicht gibt. Auch der Schlagabtausch zwischen den Löwen hat nicht ganz die Kälte und Arroganz, die man aus der US-Fassung kennt und der Umgang mit den Gründerinnen und Gründern ist weniger kaltschnäuzig.

Am Ende ist „Die Höhle der Löwen“ eine sehr kluge Adaption eines klugen TV-Formates in einer Fernsehlandschaft, die leider oft überhaupt nicht mehr klug ist, dass diese Sendung wie ein Leuchtturm, eher noch Wolkenkratzer, aus der privaten Fernsehunterhaltung hervorragt. Kaum vorstellbar, dass Vox auf dem gleichen Sendeplatz noch vor wenigen Wochen so belanglose Albernheiten wie die „Chicas Walk Academy“ gezeigt hat - die Unterschiede könnten nicht größer sein. Ob Vox der richtige Sender für „Die Höhle der Löwen“ ist und das deutsche TV-Publikum so eine Sternstunde privater Fernsehunterhaltung vor lauter Dauerberieselung mit seichtestem Unsinn noch findet, bleibt abzuwarten. Diese Sendung ist jedoch auch so schon aller Ehren wert.

Produzentin Astrid Quentell (Sony Pictures) und Vox-Chefredakteur Kai Sturm - das Duo, das für "Cover my song" schon einen Deutschen Fernsehpreis abräumte, hat hier gemeinsam mit dem Team ein Format umgesetzt, das in den Zeitgeist des Privatfernsehens im Jahr 2014 passt. Ein Jahr, in dem ausgerechnet RTL mit hervorragenden „Team Wallraff“-Sendungen überrascht. „Die Höhle der Löwen“ hat das Zeug dazu, ein weiteres kleines Puzzle-Teil auf dem Weg hin zu einem neuen, vielleicht wieder relevanteren und anspruchsvolleren Privatfernsehen zu sein. Wer auch immer je vom deutschen Fernsehen mehr Mut gefordert hat, der kann - nein, muss - „Der Höhle der Löwen“ die Daumen drücken. Egal ob Freund oder Konkurrent. Jetzt ist das Publikum gefragt.