Erst war es nur eine Geschichte in der „Bild am Sonntag“, die sich über eine Gebührenverschwendung empörte. Da flog das ZDF doch tatsächlich die deutschen Olympia-Helden Felix Loch, Natalie Geisenberger, Tobias Arlt und Tobias Wendl nur für einen Auftritt im „Aktuellen Sportstudio“ von Sotschi nach Mainz und zurück. Peinlicherweise musste selbst die „Bild am Sonntag“ schon zugeben, dass diese Reise ja eigentlich gar nicht so viel kostete. Die Flugtickets werden mit rund 2.000 Euro berichtet, die Unterkunft und Transfer schlagen sicher nochmal etwas oben drauf.



Angesichts der teuren Olympia-Berichterstattung aus Sotschi sei das doch völliger Irrsinn, so der Tenor auch nachfolgender Berichte. Schließlich hätten ARD und ZDF drüben in Russland extra ein angeblich 500.000 Euro teures Studio gebaut. Die Nennung dieser Zahl hat natürlich null Relevanz für die eigentliche Fragestellung, klingt aber viel - und viel klingt für manchen Journalisten bei ARD und ZDF immer so schön nach Gebührenverschwendung. Nebenbei bemerkt: Für die in Sotschi aufgebaute Infrastruktur und die Masse an Programmstunden, die von dort kommen, ist das Studio aus Branchensicht nicht erwähnenswert teuer.

Genüsslich berichteten dennoch erst die „Bild am Sonntag“ und zu Wochenbeginn auch Tageszeitungen wie etwa die Düsseldorfer „Rheinische Post“ über den kurzen Auftritt der Rodler. Nur 15 Minuten seien sie zu sehen gewesen - als wäre das gemessen an anderen Auftritten im „aktuellen Sportstudio“ wenig. Und dann lief das ganze ja auch noch zu nächtlicher Uhrzeit - erst ab 0.36 Uhr. Wie das manchmal so ist beim "Aktuellen Sportstudio". All das schien trotzdem eine Steilvorlage für Kritik an der Reise der Gold-Rodler zu sein. Warum bloß habe man nicht einfach eine Schalte aus Sotschi gemacht?

Diese Frage könnten sich Journalisten selbst beantworten, wenn sie ihren Job machen würden bzw. überhaupt an einer Antwort darauf interessiert wären. Doch statt genau diese Frage einmal unvoreingenommen zu stellen, schien, in Abwesenheit von ausreichend Kenntnis des Fernsehbetriebes und manchem logischen Gedankengang, die Verurteilung einer vermeintlichen Gebührenverschwendung einfach die naheliegendere Variante. Billiger Applaus ist so natürlich auch sicher.

Doch hätte man sich die Frage nach der Live-Schalte aus Sotschi ernsthaft gestellt, dann wären mehrere Aspekte aufgetaucht, die leider in der medialen Empörung über das Einfliegen von Gästen für eine TV-Show bislang nicht einmal angerissen wurden. Ein vermeintlich 500.000 Euro teures Studio sendet beispielsweise nicht von allein. Man muss das vielleicht manchem Journalisten erklären, aber für eine Live-Schalte vor Ort bedarf es dann doch auch noch Menschen.

Jetzt ist uns Sotschi drei Stunden voraus, so dass außerplanmäßig mitten in der Nacht um 3.30 Uhr eine gesamte Crew parat stehen müsste. Erstaunlicherweise arbeiten diese Menschen wiederum nicht für Luft und Liebe - sondern für Geld. Und ARD und ZDF setzen nicht unwesentlich auf freie Mitarbeiter bei solchen Events wie den Olympischen Spielen, schließlich bedarf es für kurze Zeit eines enorm hohen Personalbedarfs, den man nicht mit den sonst fest Beschäftigten stemmen kann. Deren kurzfristiger nächtlicher Einsatz hätte auch gekostet. Wie übrigens auch eine unplanmäßige nächtliche Satelliten-Schaltung von Sotschi nach Mainz.

Doch die Frage, ob das Einfliegen von vier Personen aus Sotschi in die regulär in Mainz produzierte Sendung nicht vielleicht sogar billiger und unkomplizierter war als kurzfristig mitten in der Nacht in Sotschi die ganze Technik anzuschmeißen, eine Satelliten-Schalte zu buchen und für den Einsatz Mitarbeiter zu engagieren, kam in der medialen Erregung nicht zur Sprache. Das will man vermutlich auch nicht wissen, wenn man schon vorher eine feste Vorstellung hat, in welche Richtung die Schlagzeile gehen soll. Genauso fragt man sich, ob so mancher Journalist da draußen überhaupt weiß, dass seit Jahrzehnten für Gäste in Shows Reisekosten übernommen werden.

Man kann ARD und ZDF wahrlich an vielen Stellen Gebührenverschwendung vorwerfen. Man kann einen überfinanzierten Apparat mit einem überdimensionierten Personalbestand kritisieren. Doch billige Empörungen wie die der „Bild am Sonntag“ und in der Folge anderer Journalisten, erweist jeder ernsthaften Kritik einen Bärendienst. Weil sie sich in lächerlicher Art und Weise in Kleinigkeiten verliert, die nun wirklich nicht das Kernproblem sind und ARD und ZDF so die Gelegenheit geben, Kritiken (in diesem Fall) zu Recht zurückzuweisen. Statt mit Steinen zu werfen, würde ein spitzer Pfeil weit schmerzhafter treffen. Doch der Kampagnen-Journalismus sucht sicher schon nach dem nächsten Kiesel.