Es war die Nacht der dicken Puschel oder, je nach Sichtweise, der Morgen der dicken Puschel. Jedes Mikro bekam einen Puschelschutz, damit der Wind nicht die Töne forttragen konnte. Sturmberichterstattung ist halt nur gültig, wenn man in einen Puschel spricht. Den Puschelpreis der vergangenen Nacht haben sich auf jeden Fall Donald Bäcker und Till Nassif vom ARD-Morgenmagazin verdient. Die standen in Warnemünde an der Ostsee, nur wenige Meter von einander entfernt, was ein bisschen albern wirkte, weil anfangs stets getrennt zu ihnen geschaltet wurde.
Später machten sie dann ein paar Schritte aufeinander zu und reportierten aus ihren überdicken WDR-Anoraks gemeinsam in ihr murmeltiergroßes Puschelmikro vor der Brust. Dazu machten sie dauerbesorgte Gesichter, weil man die halt machen muss, wenn man von einem schweren Sturm spricht. Man macht das besorgte Gesicht auch noch, wenn der Sturm schon abflaut und nichts wirklich Gravierendes passiert ist. Aber was soll man auch tun? Wenn man ausgesandt wurde, zu berichten, dann ist das, über das man berichten soll, immer das wichtigste Ereignis, unabhängig von der wahren Bedeutung. Und die Wichtigkeit kann man bei der ARD ganz offenbar ablesen an der Größe des Puschels. Auf zum Puschelvergleich.
Mit dem Warnemünder Morgenmagazin-Puschel konnte Björn Staschen natürlich nicht mithalten. Am Hamburger Fischmarkt stand der NDR-Mann in Gummistiefeln und sah ein bisschen aus, als spräche er in eine Klobürste. Es hatte halt nur für einen kleinen Puschel gereicht. Christina Gerlach, die live aus Norderney reportierte, hielt ihren Riesenpuschel dagegen fast zärtlich im Arm und sagte, dass die großen Schäden ausgeblieben seien.
Fast klangen die ARD-Reporter ein bisschen enttäuscht, dass Xaver dann doch nicht so böse endete wie man ihn angekündigt hatte. Angesichts der puren Masse verstärkte sich zwischendrin ohnehin der Eindruck, dass Xaver allein deshalb nicht hatte ungehindert wüten können, weil er an der Küste auf eine massive Dammbarriere stieß, die allein aus besorgten ARD-Korrespondenten bestand, die alle auf der Suche waren nach Bildern, auf denen zu sehen war, wie der Wind mal so richtig heftig blies.
Wenigstens in Bremerhaven gab es ein bisschen mehr als treibenden Sand, wühlende Gischt und sich biegende Halme zu sehen. Da musste die Feuerwehr eine Dinosaurierfigur sichern. Heissassa! Das hätten sich die Reporter in Warnemünde auch gewünscht.
„Wie konntet ihr die armen Kerle da hinstellen“, fragte eine besorgte Zuschauerin im Kölner Moma-Studio an und meinte damit nicht den Dino, sondern die Reportermassen, „Es war halt nötig“, sagte Anne Gesthuysen, und für einen Moment blitzte der ganze Stolz der ARD aus ihrem Gesicht. „Weil wir es können“, hätte wohl die ehrlichere Antwort gelautet. Aber so viel Ehrlichkeit im Morgenmagazin darf man nicht erwarten.
Dafür jene Launigkeit, die Olli Dittrich einst so schön in seinem „Frühstücksfernsehen“ parodierte und die von den ARD-Kollegen immer wieder so bitterlich bestritten wird. Die Launigkeit fand ihren Höhepunkt, als die für irgendeinen unnützen Veronica-Ferres-Film werbende Veronica Ferres von ihrem gefährlichen Anflug auf Köln berichtete, so als sei sie selbst im Cockpit gesessen. Wow! Ja, die Frau weiß, wie man alles dramatisiert, wie man Betroffenheit herstellt. Allerdings wirkte sie ein bisschen unvollständig ohne einen richtigen Puschel vor der Brust. Dafür hatte sie aber zu jedem Thema etwas beizutragen. Zu chinesischer Kunst und zum Tode von Nelson Mandela. Die Ferres weiß halt alles. Ungemein kluge Frau.
Und in der Hölle des Morgenmagazins liegen die Themen halt eng beieinander. Eben noch wurde der südafrikanische Held Mandela betrauert, doch schon kurz danach setzte sich Veronica Ferres Rentierohren auf. Weil doch Nikolaus ist. Luuuuuustig! Anne Gesthuysen konterte mit einer Nikolausmütze, und Jens Riewa, bei dem wenigstens die Frisur Puschelähnlichkeit hatte, kuschelte im Tagesschau-Studio mit einem Schokoladennikolaus. Alle waren völlig grundlos sehr gut aufgelegt an diesem Tag des Puschels, der letztlich doch nur ein ganz normaler in der Hölle des Frühstücksfernsehens war.