Der Vorwurf ist nicht neu und kam schon von vielen, aber wirkt in jüngster Zeit doch zunehmend irritierend. Thomas Ebeling, Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media AG spricht im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (Montagsausgabe) über die Zukunft des Fernsehens im Allgemeinen und seines Konzerns im Speziellen. Mitten im Gespräch kommt eine Schelte für ARD und ZDF. Und das ausgerechnet als "SZ"-Redakteur Caspar Busse ihn auf die Bedeutung von Nachrichten bei der ProSiebenSat.1 Media AG anspricht. Über den Mangel an aktueller Information in der Sendergruppe täuscht Ebeling geschickt hinweg: Mit seichtem Infotainment a la "Galileo" erreiche man dafür mehr jüngere Zuschauer. Und dann kommt er, der altbekannte aber immer wieder gern wiederholte Vorwurf: Man erreiche die jungen Zuschauer, "die ARD und ZDF längst nicht mehr auf dem Schirm haben."
Es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass ARD und ZDF mit ihren Hauptprogrammen ein im Durchschnitt weitaus älteres Publikum erreichen als die Privatsender. Da kann man Ebeling nicht widersprechen. Aber es war schon immer kurios, wenn Vertreter von Privatsendern an ARD und ZDF einen Anspruch stellen, den sie selbst gar nicht erfüllen können: Mit einem Sender alle Altersgruppen anzusprechen. ARD und ZDF sind da gefangen in einer Falle. Wären sie radikal jünger, würde Ihnen von Kritikern Jugendwahn vorgeworfen. Wären sie damit auch noch erfolgreich, stünden wiederum erneut die Privatsender jammernd vor der Tür. Vor dem Start von ZDFneo war das sehr schön zu beobachten: Der VPRT rannte Sturm gegen das "zweite Zweite". Der Untergang des Privatfernsehens wurde heraufbeschworen. Als ZDFneo dann deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb, hatten die Privatsender plötzlich kaum noch etwas zu beklagen.
Doch diese Phase dauerte nur kurze Zeit an. Flexibel fand man einen neuen Kritikpunkt - den genau umgekehrten. Fürchtete man zuvor zu großen Erfolg, kritisierte man nun den ausbleibenden. Die jungen Sender seien angesichts der geringen Reichweite Gebührenverschwendung, hieß es auf einmal. Gleichzeitig aber - soviel Opportunismus muss man erstmal schaffen - wird auch immer wieder gerne die Quotenfixierung von ARD und ZDF kritisiert. Sie sollten sich doch bitte, so auch Ebelings Forderung, an ihrem Sendeauftrag orientieren (so als würden sie es nicht tun). Und mit den Programmen dann wiederum aber bitte weder zu erfolglos (Verschwendung!) noch zu erfolgreich (Macht den Markt kaputt!) sein. Aus den Augen des Privatfernsehens gibt es für ARD und ZDF nur einen schmalen Korridor der Existenz abseits von Experimenten und Erfolgen.
Aber noch einmal zurück zu Ebelings Kritik, ARD und ZDF hätten die jungen Zuschauer aufgegeben. Das mag für die Hauptprogramme noch nachvollziehbar sein, aber die Experimente in den Spartenkanälen berücksichtigt er dabei nicht. Natürlich erreichen die wenig Reichweite bei den jungen Zuschauern. Gut für Ebeling, möchte man ergänzen, denn andernfalls gäbe es mehr Grund zur Klage. Der Punkt aber ist: ARD und ZDF diversifizieren sich. Weil eben ein Programm nicht geeignet ist, um alle Interessen und Altersgruppen abzudecken. Sie tun damit schon länger genau das, was sowohl Mediengruppe RTL Deutschland wie auch ProSiebenSat.1 Media AG erst später für sich entdeckt haben: Sich selbst fragmentieren bevor es andere tun. Was bei den Privatsendern derzeit das Gebot der Stunde ist, gesteht man ARD und ZDF nicht zu. Dort erwartet man die eierlegende Wollmilchsau.