Wenn heute Abend um 21.15 Uhr bei RTL "Die Zuschauer" Premiere feiert, lohnt das Einschalten leider nicht. Die deutsche Adaption des britischen TV-Formats "The Audience" hat in der Form noch etwas mit dem Original gemeinsam - doch im Kern ist das Format so unglücklich verändert, dass es seinen Reiz verliert. "Die Zuschauer" ist nicht das erste Format, dem es so geht. Das gab es schon bei diversen Sendern.
Die RTL II-Show "Das Tier in mir" vor drei Jahren beispielsweise, produziert von Shine Germany, basierte auf dem BBC-Format "My life as an animal". Dieses wurde Zuhörern der Mainzer Tage der Fernsehkritik vor der deutschen Adaption sogar von der ZDF-Programmbeobachtung als sehenswerte TV-Idee präsentiert. In der RTL II-Umsetzung wurde es dann jedoch verrissen und vom Publikum verschmäht.
So geht es zahlreichen britischen TV-Ideen, die den Weg nach Deutschland finden. Doch woran liegt es? Bei dem erbitterten Kampf zwischen Sender und Produzenten, wo allzu oft gegenseitige Besserwisserei statt offener Dialog herrscht, geht offenbar die Seele mancher TV-Idee verloren. Dieses Problem hören wir oft. Von vielen Produzenten. Sie sind es, die meist das Original im Formatkatalog haben und gut kennen.
Doch bei den Fernsehsendern herrscht eine für Produktionsfirmen zunehmend unerträgliche Haltung: Seit sich die meisten Sender aus der Eigenproduktion von TV-Formaten längst verabschiedet haben und bei Innovation und Kreativität allein auf die Zulieferung von Produktionsfirmen setzen, fehlt dem Sender eine gewichtige Rolle in der Umsetzung. Zugegeben eine bittere Situation für Senderredakteure.
Immer öfter jedoch scheint das in übermäßig absurde Änderungswünsche und Vorstellungen zu münden, um der Produktion einen eigenen Stempel aufzudrücken. So ähnlich stellt man es sich auch bei "Die Zuschauer" vor. Im britischen Original sollen 50 Zuschauer bei der Lösung von moralischen Problemen helfen. Fragen also, die eine grundlegende Natur haben und damit für jeden nachvollziehbar sind. Verpflichtungen gegenüber der Familie vs. persönliche Verwirklichung beispielsweise.
Das ist zugegeben kein Stoff für den Mittwochabend 21.15 Uhr bei RTL. Dazu wäre der Einstieg nicht knackig genug, die Problematik zu wenig griffig. Und alles potentiell wenig geeignet um vor dem ersten Werbebreak schon Spannung aufzubauen. Deswegen wurden die Problemstellungen bei der deutschen Version vereinfacht. Bis an den Rande der Albernheit banalisiert.
Schwer vorstellbar, dass ITV Studios Germany eine Produktion der britischen Schwesterfirma aus freien Stücken so verändert hat. Es mag vielleicht noch ordentliche Quoten einfahren. Damit wäre das Ziel für RTL erreicht. Nur von dem gefeierten Format und seinem Reiz ist wenig übrig. Das wäre dann ein Beispiel dafür, dass Quote wichtiger ist als schönes Fernsehen. Schade, angesichts einer wirklich spannenden Vorlage.