Seit Monaten rechnete die Branche mit dieser Meldung und doch kam sie am Donnerstag dann letztlich überraschend: Kurz vor Weihnachten und gerade mal zwei Tage nach einem großen Interview der beiden RTL Group-Geschäftsführer Anke Schäferkordt und Guillaume de Posch in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hatte dann doch niemand mehr mit einer Wachablösung an der Spitze des deutschen TV-Marktführers gerechnet. Doch neben den iPads schenkte Schäferkordt den RTL-Mitarbeitern so noch etwas Beruhigendes: Gewissheit über den Kurs für 2013.
Doch Schäferkordt ist - wenn man ihr auch nicht eine brennende Leidenschaft fürs Programm nachsagt - eine kluge Strategin. Mit der Amtsübergabe zum 1. Februar 2013 übernimmt Frank Hoffmann ein RTL mit Luft nach oben. Er muss sich nicht an den Rekord-Reichweiten messen lassen, die RTL 2010 und 2011 erreichte. Den Sturm der Negativschlagzeilen - Klagen auf hohem Niveau - stand Schäferkordt in diesem Jahr noch aus. Die Kehrseite dieser Medaille jedoch: Der Marktführer war zuletzt in der Defensive. Egal ob intern oder nach außen war kein Kurs für RTL erkennbar. Im Zweifelsfall schwieg man.
Zwar hat man neben anderen Argumenten irgendwann eingeräumt, dass auch die Schwäche langlaufender Programmmarken eine Ursache für das Absacken des Marktanteilsniveau ist. Doch die Antwort darauf war so allgemein wie unverbindlich: Man entwickle und pilotiere in allen Genres. Das ist nicht verkehrt aber manchem in Köln war das zu wenig Perspektive. Die muss jetzt Frank Hoffmann entwickeln. Keine einfache Aufgabe, aber eine auf die er sich schon länger einstellen konnte. Er übernahm damals VOX von Anke Schäferkordt und folgt ihr jetzt, wie DWDL.de schon im Frühjahr mutmaßte, auch bei RTL nach.
Stichwort: Neuanfang und Kontinuität. Seine Kenntnis des RTL-Programms hilft beim nahtlosen Übergang, denn auch wenn RTL und insbesondere manch entmutigter Mitarbeiter wieder einen klaren Kurs braucht, so meint dies ja nicht gleich eine Kehrtwende bei voller Fahrt. Das ist mit einem Tanker wie RTL weder sinnvoll noch nötig. Aber er hat die Chance, eher sogar Verpflichtung, inhaltlich in manchem Genre sowie formell beim Management-Stil einen eigenen Weg zu finden und dabei mehr zu wollen als Anke Schäferkordt zu gefallen. Mag ihr letztes Jahr übrigens kein gutes gewesen sein, so hat sie RTL 2005 übernommen und in den Folgejahren beispielloser Manier zum Erfolg geführt.
Ihr Nachfolger startet aber ebenfalls mit gesundem Selbstbewusstsein. Der derzeitige Erfolg von VOX dürfte Frank Hoffmann Rückenwind geben. Er hinterlässt einen Sender in guter Verfassung mit gelösten Problemen wie dem lange schwierigen Nachmittagsprogramm, das inzwischen mit hervorragenden Werten sogar RTL neidisch macht. Hier wird sich zeigen ob Hoffmann es Schäferkordt gleich macht - und sich im Zweifelsfall bei seinem ehemaligen Sender bedient. Es wäre verständlich. Aber nur alte Rezepte aufwärmen? Da sind die Hoffnungen in Hoffmann größer. Er gilt anders als die klare Führungsperson Anke Schäferkordt eher als Teamplayer - immer offen für kritische Stimmen.
Ob sich so auch Deutschlands erfolgreichster Fernsehsender führen lässt, werden wir ab Februar erleben. Mit dem Wechsel zu Beginn des Jahres bleibt ihm genügend Zeit um im Sommer bei der Vorstellung des Programms für die RTL-Saison 2013/14 schon eine eigene Handschrift erkennen zu lassen. Er kann wieder das tun, was sich Anke Schäferkordt in den vergangenen Monaten aus Rücksicht auf ihren Nachfolger verkniffen hat: Einen Kurs vorgeben. Publikum, Presse und Mitarbeiter werden gespannt darauf sein, wie es aussieht. Sein RTL.