Worum geht es bei der Wahl eines Intendanten für den Westdeutschen Rundfunk, wie für jede andere öffentlich-rechtliche Anstalt auch? Darum, die beste Frau oder den besten Mann mit dem überzeugendsten Konzept für die anstehenden Aufgaben zu finden? Oder darum, ein möglichst kuschliges und harmonisches Verfahren für alle Beteiligten zu bewerkstelligen, das trotzdem noch den Stempel "demokratisch" tragen darf? Man konnte sich am Mittwoch im schmucklosen Sitzungssaal im sechsten Stock des WDR-Funkhauses am Kölner Wallraffplatz des Eindrucks nur schwer erwehren, dass es eigentlich doch eher Letzteres ist.
Die WDR-Rundfunkratsvorsitzende Ruth Hieronymi sowie Petra Kammerevert, ihres Zeichens Vorsitzende des Programmausschusses des Rundfunkrats, hatten dort zur Pressekonferenz geladen. Kurz zuvor war im Raum nebenan Monika Piel für eine zweite Amtszeit als WDR-Intendantin gewählt worden. Sie darf nun bis 2019 weiter an der Spitze des Senders stehen. Überraschend war der Ausgang dieser Wahl nicht: Monika Piel war völlig ohne Gegenkandidat angetreten. Angesichts dessen verwundert es schon eher, dass sie trotzdem nur 34 der 43 abgegebenen Stimmen auf sich vereinen konnte.
Doch warum gab es eigentlich keinen Gegenkandidat? Ruth Hieronymi hat eine einfache Erklärung: Weil von den 48 Rundfunkrats-Mitgliedern - fünf fehlten bei der Abstimmungen - keiner die Notwendigkeit einer Auschreibung oder eines anderen Verfahrens gesehen habe. "Wenn das gesamte Gremium es als richtig und sinnvoll ansieht, Frau Piel wiederzuwählen, dann ist die Frage, warum dann eine Ausschreibung stattfinden soll", so die Rundfunkratsvorsitzende.
Das wirft dann aber eigentlich mehr Fragen auf, als es beantwortet. Denn offensichtlich sah es angesichts von sieben Gegenstimmen und zwei Enthaltungen eben nicht das ganze Gremium als richtig an, dass Monika Piel weiter an der WDR-Spitze bleiben soll. Wieso wollte aber keiner von ihnen einen Gegenkandidaten? "Die sieben müssen sich die Frage stellen lassen, warum sie das nicht früher gesagt haben", räumt auch Hieronymi ein. Schließlich habe es sechs Monate lang eine intensive Beratung gegeben, die Entscheidung, dass allein Monika Piel sich zur Wahl stellen wird, sei eine einmütige Position gewesen.
Doch nicht nur an diese sieben Personen müsste man Fragen stellen. Das gesamte Gremium muss sich fragen lassen, woher man eigentlich wusste, dass es kein besseres Konzept und keine bessere Kandidatin geben kann als Monika Piel, wenn man anderen noch nicht mal die Möglichkeit gegeben hat, ihre Kandidatur anzumelden oder ihre Vorstellungen kundzutun? Dafür benötigt man eigentlich schon hellseherische Fähigkeiten, denn unumstritten sind Monika Piel und ihr WDR nicht. Oder es geht eben doch eher darum, dass man eine Intendantin nicht ohne große Not aus dem Amt kegelt, weil eben nicht vor allem die überzeugenderen Zukunftspläne im Vordergrund stehen.
Dazu passt auch die Aussage von Petra Kammerevert: Nur weil jeder natürlich auch Fehler in seiner Arbeit mache und man nicht mit allem 100-prozentig zufrieden sein könne, sei das noch kein Grund, "den Stab über einen Menschen zu brechen". Als ob es hier ums Wohlergehen geschätzter Menschen gehe statt um die gute Führung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt. Eine Alternative zu prüfen heißt ja zudem nicht, dass man sie auch für besser befinden muss - aber zumindest prüfen könnte man sie. Dass es keinen Gegenkandidaten gegeben habe, sei im Übrigen auch damit zu erklären, dass man eine Verantwortung für die Menschen habe, die in einem solchen Verfahren kandidieren würden. "Man schickt in eine Intendantenwahl keine Zählkandidaten. Das wäre niemandem gegenüber in irgendeiner Form fair. Ich fände das ein unmenschliches Verfahren."
Eine Wahl als "unmenschliches Verfahren"? Eine erstaunliche Umschreibung für die Grundlage der Demokratie aus dem Mund einer Politikerin, die selbst als Abgeordnete für die SPD im Europaparlament sitzt. Nein, allgemein seien Wahlen natürlich nicht unmenschlich, betont sie auf Nachfrage. Es sei aber einfach nicht fair, jemanden in ein Rennen zu schicken, von dem man von vornherein wisse, dass er da keine Chance habe.
Das stimmt. Aber wie wäre es dann, mal über ein Rennen nachzudenken, bei dem der Sieger nicht vorher festgelegt ist, sondern bei dem ergebnisoffen die Kandidaten und ihre Konzepte betrachtet würden? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und diejenigen, denen er letztlich gehört - nämlich wir alle - hätten so etwas verdient.