Günther Jauch war vor der Premiere seiner Talkshow im Ersten spürbar darum bemüht, die hohen Erwartungen zu dämpfen. "Ich werde eine Sendung machen, in der Menschen sich vorzugsweise auf Deutsch unterhalten und dazu auf Stühlen mit je vier Beinen sitze", sagte er im Vorfeld - und gleich bei der ersten Ausgabe wurde eines deutlich: Ganz so wie bei seinen Vorgängerinnen Sabine Christiansen und Anne Will wird es sonntags nach dem "Tatort" nicht mehr zugehen.
Das liegt freilich nicht daran, dass die Stühle in Jauchs Talkshow fünf Beine haben - viel mehr ist das auf die sehr magazinige Aufbereitung zurückzuführen. "Da freuen wir uns doch ab sofort darüber, dass es stern tv jetzt auch in der ARD gibt", twitterte Anne Wills Lebensgefährtin Miriam Meckel noch während Jauchs erster Sendung. Und ganz Unrecht hat sie dabei sicherlich nicht. Marcy Borders, die die Terroranschläge vom 11. September 2001 überlebte und als "Dust-Lady" weltweit bekannt wurde, war Jauchs erster Gast im vielleicht ein wenig zu opulent geratenen Studio im Gasometer Berlin-Schöneberg.
Ein Einspielfilm erzählte zunächst die bewegende Geschichte der Frau, ehe Jauch schließlich im Einzelgespräch mit ihr an die genau zehn Jahre zurückliegenden dramatsichen Ereignisse erinnerte. "Politisch denken, persönlich fragen", lautet Anne Wills Versprechen noch heute - zumindest den zweiten Teil löste Jauch mit seinem Gespräch gleich zu Beginn der Sendung ein. Das war man in den vergangenen Jahren am Sonntagabend im Ersten nicht unbedingt gewohnt. Erst nach diesem Gespräch folgte schließlich die mit Ex-Verteidigungsminister Peter Struck, Springer-Chef Mathias Döpfner, Publizist Jürgen Todenhöfer, Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann sowie die immer streitbare Literaturkritikerin Elke Heidenreich reichlich prominent besetzte Runde.
"Die Afghanen erleben bis heute jeden Tag ein kleines 9/11", sagte Todenhöfer und unterstrich dabei einmal mehr seine Forderung, aus Afghanistan wieder abzuziehen - so, wie er es erst wenige Tage zuvor bei Markus Lanz im ZDF mal wieder getan hatte. Ein gutes Beispiel dafür, wie berechenbar die Runde letztlich war. Nein, viel Neues bot die Diskussion nicht. Doch das war angesichts der Thematik ohnehin kaum zu erwarten. Stattdessen durfte Klinsmann die Angst der Amerikaner analysieren und Elke Heidenreich über mittelalterliche Zustände in Deutschland und Afghanistan philosophieren.
Jauch selbst muss sich natürlich erst noch finden - nicht umsonst bat er schon im Vorfeld um Zeit. 20, 30 Sendungen würde er benötigen, sagte er kürzlich. Und doch gab es gleich in der ersten Sendung gute Ansatzpunkte. "Können Sie den Leuten erklären, warum wir im Irak oder in Libyen nicht mitgemacht haben, dafür aber vor zehn Jahren in Afghanistan?", wollte er von Peter Struck wissen - eine gute Frage, deren Antwort sicherlich durchaus Mehrwert bot. So wie die Einspielfilme, die gewiss nicht wie ein Fremdkörper wirkten, die allerdings mitunter dafür sorgten, dass die Diskussion ein wenig ins Stocken geriet.
Gegen Ende wurde sie dann auch noch durch das Einzelgespräch mit einer Mutter, deren Sohn als Soldat in Afghanistan ums Leben kam, jäh unterbrochen. Immerhin: Dass sie später in die Runde geholt wurde und nicht wie bei Will alleine auf ihrem Sofa zurückgelassen wurde, war positiv - und auch so manche ihrer Aussagen brachte womöglich neue Denkanstöße mit sich. "Ich habe das Gefühl, dass das Interesse der Bevölkerung nicht sehr groß ist", sagte sie über den nun schon fast zehn Jahre andauernden Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Dass sie ihn dennoch nach wie vor für richtig hält, wirkte regelrecht bewundernswert.
Doch was heißt das nun für Günther Jauchs Sendung? Wohin er mit seinem neuen ARD-Talk tatsächlich steuern wird, lässt sich anhand der Premieren-Ausgabe noch nicht ablesen. Erst in der kommenden Woche, wenn es darum geht, den Spitzenpolitikern nach den Abgeordnetenhaus-Wahlen in Berlin mehr als nur die üblichen Floskeln zu entlocken, wird der Polittalker Jauch gefragt sein. Das Rad hat Günther Jauch in seiner ersten Sendung wie erwartet nicht neu erfunden, aber er machte seine Sache gut. Gleichzeitig hat er durchaus Veränderung in den späten Sonntagabend gebracht - insbesondere in den Einzelgesprächen stellte Jauch seine Stärke unter Beweis und heimste am Ende ein nettes Lob des ehemaligen Vereidigungsministers ein. Für die Zukunft muss jedoch mehr drin sein. Jauchs sonntägliche Bewährungsprobe steht somit erst noch aus.