Ich kann KanzlerAm Ende stellte selbst Jury-Mitglied und Produzent Günther Jauch fest: "Wir haben zum Teil auch ne arge Phrasendrescherei erlebt." Die Aussage kam kurz vor dem Finale, da war die Stimmung schon so harmonisch, dass man es kaum noch aushielt. Die beiden finalen Kandidaten: Einmal SPD, einmal CDU - und doch kaum unterscheidbar. "Ich kann Kanzler" - statt anregender Alternative eine fiktionale Abbildung der Kuschelkoalition in Berlin. In den Schlussreden beider Kandidaten zeigte sich dann: Beide wollen das Gleiche. Man kann es Ihnen nicht verübeln - denn große Grundsatzreden in der Politik können nicht ins Detail gehen. Doch das hätte man vorher aus Ihnen herauskitzeln müssen.

Doch das schaffte man nicht. Diskussionen, Streitkultur, Auseinandersetzungen und Eifer - davon war nichts zu spüren - auch nicht als ZDF-Hauptstadtstudio-Leiter Peter Frey genau das provozieren sollte. So fehlte die Emotionalität und der Wettbewerb völlig. Den holte man sich über diverse Abstimmungsrunden, bei denen dann schon lange vor dem finalen Voting der TV-Zuschauer der Sieger des Abends sehr deutlich feststand. Da halfen auch Jauchs Versuche, den sicheren Sieger Jacob Schrot zu ermahnen, sich nicht zu sicher zu fühlen, nichts. Und wieder die Harmonie: Beide Kandidaten hätten es sich gegenseitig gegönnt; Hennig Scherf sah in beiden "großes Potential".
 
 

 
 
Und Anke Engelke? "Ich könnte mit beiden als Kanzler leben - ich finde, dass ist ein schönes Fazit" Darüber kann man geteilter Meinung sein. Was geschah dann noch? Gastgeber Steffen Seibert erkannte, dass er nicht bei ProSieben ist ("Ich bin ganz erkennbar nicht Heidi Klum und es noch eine Stunde hinauszuziehen") und verabschiedete sich von den Zuschauern mit einer Überleitung ans "heute-journal": "Claus Kleber es tut mir leid, ich dachte nie dass ich auch mal ein Überzieher sein würde." Denn trotz harmonischer Langeweile überzog man gleich zwanzig Minuten.

Für Produzent Günther Jauch wird es am Ende immerhin zwei Trostpflaster geben: Zum Einen ist es von Berlin-Adlershof nicht weit nach Potsdam zur Familie und zum Anderen lief zeitgleich zum ehrenwerten aber langweiligen Kanzler-Casting bei RTL die ebenfalls von ihm produzierte "Ultimative Chartshow" - mit vermutlich deutlich größerem Erfolg.  Für das ZDF gibt es auch einen Trost: Egal wie die Quote ausfiel, egal wie mau die Show ausfiel - man hat Mut bewiesen und Neues probiert. Und vielleicht gibt es ja Hoffnung: Eine Neuauflage von "Ich kann Kanzler" wäre wünschenswert - wenn sie bewusst streitlustiger angelegt wird und sich Steffen Seibert besser vorbereitet.