Millionen Amerikaner können den 8. November 2016 nicht vergessen. Es war der Tag der US-Präsidentschaftswahl, in der Nacht der Auszählung erlebten sie den Sensationssieg Donald Trumps. Es war auch ein besonderer Tag für Late-Night-Talker Stephen Colbert: In einem beeindruckenden Segment ließ er am Ende seiner Wahlshow auf Showtime die souveräne Rolle als Host fallen und fragte sich fassungslos, wie sein Volk jemals wieder zusammenfinden könne. „Können wir uns bitte wenigstens darauf einigen, dass der Typ, der an einem Hochzeitsbuffet als Erstes aufsteht, um Nachschlag zu holen, ein verdammter Held ist?“ bot er als Versöhnungsangebot an.
Vier Monate später bringt Trump für den CBS-Talker aber vor allem gute Nachrichten: Im Februar gab es zuletzt zwei volle Wochen, in denen er jeden Abend der erfolgreichste Comedian und Talker im umkämpfen US-Late-Night-Markt war. Nach Gerüchten, dass möglicherweise Carpool-Karaoke-Macher James Corden seinen Sendeplatz übernehmen würde, ist Colbert nun fester im Sattel. „Wir achten aber darauf, uns nicht über die Trump-Unterstützer oder diejenigen lustig zu machen, die seine Politik gut finden“, sagt ein ungenannter Autor der Los Angeles Times. Schließlich biete Trump selbst genug Angriffsfläche. „Es ist perfekt für Comedy.“
Colberts Erfolg liegt aber laut Patrick Healy, Kulturkritiker noch an einem anderen Grund: „Er ist der lustigste und scharfsinnigste unter den Hosts“, sagt er. Niemand sonst sei wie Colbert so willens, auch mal Ecken und Kanten zu zeigen. Zusammen mit Sopan Deb schreibt Healy nun regelmäßig über die Late Night. Die Times hat sich nach einem zwei Wochen langen Testlauf dafür entschieden, der Rubrik „Best of Late Night“ dauerhaft grünes Licht zu geben.
Mit einem halben Dutzend Shows ist das Segment eng besetzt, aktuell stehen vor allem diejenigen im Blickpunkt, die von Anfang an auf kluge Politikanalyse gesetzt haben: Colbert auf CBS, Trevor Noah auf Comedy Central, Seth Meyers bei NBC. Etwas schlechter sieht es für den unpolitischeren Jimmy Fallon auf NBC aus, der sonst das Late-Night-Geschäft dominiert und trotz Verlusten in der Zielgruppe noch immer vorn liegt. Jimmy Kimmel bei ABC und eben James Corden auf CBS bleiben nach der Wahl und Trumps Amtseinführung etwa auf dem Niveau ihres bisherigen Staffelschnitts. Ein deutlicheres Bild bietet sich dafür bei den wöchentlichen Comedy-Formaten: "Saturday Night Live" erlebt einen riesigen Aufschwung mit den besten Quoten seit 20 Jahren, für die politische Linke dienen John Olivers und Samantha Bees Analysen als gern genommene Selbstbestätigung (siehe Gewinner und Verlierer auf Seite 2): Olivers Auftaktfolge zur vierten Staffel steht bei Youtube nach nur einer Woche bei 12,3 Millionen Zuschauern.
Offensichtlichster Grund für diesen Aufschwung? Gemeinschaftssuche! „Menschen die Trump hassen, müssen sich versammeln - manchmal tun sie das auf den Straßen, manchmal eben beim Schauen von Saturday Night Live“, sagt Larry Sabato, Politikprofessor in Virginia. „Man kann nicht dauernd wütend sein.“
Ist der Aufschwung aber wirklich nachhaltig? Das wird sich vor dem Fernseher wie beim Straßenprotest noch zeigen. Fest steht, dass er zumindest nicht neu ist. „The Smother Brothers Comedy Show“ hieß ein Hit in den späten 60er-Jahren, der mit Rückenwind der Vietnam-Gegner in die Top 20 der meistgeschauten TV-Programme segelte. Die sozialkritische Comedy „Rowan & Matin’s Laugh In“ war laut Los Angeles Times im TV-Jahr 1968 die meistgesehene Sendung. Fun Fact: Einer der Autoren war Saturday-Night-Live-Mastermind Lorne Michaels.
Der Irakkrieg 2004 brachte dann den Aufstieg von Jon Stewart und dessen „Daily Show“ für Comedy Central. Als Ergänzung entstand der „Colbert Report“ auf Comedy Central. Die konservative Kunstfigur Stephen Colbert hat der Moderator inzwischen abgelegt - schließlich klappt es ja auch ohne ihn.
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