Sind Sie auch schon einmal einer falschen Nachricht auf den Leim gegangen? Das ist ärgerlich - für Sie, aber auch den Journalisten, der in bester Absicht eine Neuigkeit verbreitete, die sich in Wirklichkeit als Ente entpuppte. In der jüngsten Debatte um sogenannte "Fake News" geht es allerdings um weit mehr als die Frage, ob eine Schauspielerin mit sofortiger Wirkung aus dem "Tatort" aussteigt oder doch noch für eine Folge vor der Kamera steht. Es geht um Manipulation.

Manipulation ist ein großes Wort und man kann sich nur wundern, mit welcher Wucht der frisch gewählte US-Präsident Donald Trump dieser Tage von "Fake News" spricht, wenn Journalisten über einen Sachverhalt berichten, mit dem der mächtigste Mann der Welt nicht einverstanden ist. Da verschiebt sich gerade etwas und es ist wichtig, darüber zu diskutieren. In Zeiten schneller Klicks in sozialen Netzwerken ist es umso wichtiger, kritisch zu sein und eine reißerische Schlagzeile oder ein manipuliertes Bild als bewusste Irreführung zu entlarven.

Seit Wochen schon diskutieren Journalisten daher über Fake News und die Frage, wie damit umgegangen werden soll. Gerade erst hat der Bayerische Rundfunk angekündigt, eine neue Einheit zu gründen, die die Gesellschaft über bewusste Desinformation und Manipulationsversuche aufklären soll. NDR-Intendant Lutz Marmor sieht in der Debatte indes die Chance für Medien, an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, weil die Menschen dadurch sensibilisiert würden, verstärkt auf Quellen zu achten. "Es ist derzeit wie in der Arztpraxis. Da gibt es die einen Patienten, die aufgeklärt mit einer vernünftigen Einordnung ihrer Informationsquellen über Krankheiten umgehen, aber auch die anderen, die mit den tollsten Theorien aus ungesicherten Quellen beim Doktor erscheinen", sagte er der dpa.

Die BBC hat unterdessen angekündigt, "Fake News" mit "Slow News" bekämpfen zu wollen. Als Abkehr von den gewohnten Breaking News will man das in London nicht verstanden wissen, doch der Fokus soll verstärkt auf ausführlichere Texte und Video-Erläuterungen gelegt werden - und all das benötigt eben Zeit. Eines scheint klar zu sein: Die eine richtige Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit Fake News gibt es nicht. Das zeigt auch unsere kleine Umfrage unter namhaften Journalisten. DWDL.de hat sich bei Claus Kleber, Peter Kloeppel & Co. umgehört, wie sie zu der Debatte stehen...

ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke© NDR/Thorsten Jander
Dr. Kai Gniffke, Erster Chefredakteur ARD-aktuell: "Schon immer gab es bewusste Falschmeldungen und schon immer war es Aufgabe von Journalismus, korrekte Fakten zu recherchieren. Doch dieses Phänomen hat quantitativ außerordentlich zugenommen und wird durch Social Bots in seiner Wirkung potenziert, so dass sich viele Qualitätsmedien entschlossen haben, dem Thema Fake News ein besonderes Augenmerk zu widmen. Die Tagesschau wird angesichts des Wahljahres besondere Anstrengungen unternehmen, um bewusste Falschinformationen aufzufinden und mit zusätzlicher redaktioneller Recherche geprüfte Fakten der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen."

Claus Kleber© ZDF/Uwe Düttmann
Claus Kleber, Moderator ZDF-"heute-journal": "Natürlich bieten Social Media jedem Schmierfink die Chance, Müll zu verbreiten. Aber uns Journalisten auch viele neue Kanäle zu recherchieren und gegenzusteuern. Und dass sich keine Nachlässigkeit und Schlamperei mehr unbemerkt 'versendet', ist auch gut. Der Rest muss sauberes Handwerk sein. Und Einsatz."

Peter Kloeppel© RTL / Stefan Gregorowius
Peter Kloeppel, RTL-Chefmoderator: "Das Entlarven von gezielter Desinformation und sogenannten Fake News war, ist und bleibt eine zentrale Herausforderung eines freien Journalismus, der sich der Wahrheit verpflichtet fühlt.  Klagen darüber, dass dafür heute mit den sozialen Medien eine nur schwer kontrollierbare universelle Multiplikations-Plattform für jedermann bereit steht, helfen nicht – wir müssen selber aktiv werden. Nur ein Beispiel: seit Monaten arbeiten bei der Mediengruppe RTL rund um die Uhr eigens geschulte Mitarbeiter in einem sogenannten Verifizierungsteam daran, die eingehenden Informationen – insbesondere Videomaterial aus sozialen Netzwerken - auf ihre Echtheit zu überprüfen. Erschwert wird das Ganze für uns Journalisten allerdings dadurch, dass Fake News mittlerweile sogar in einigen urdemokratischen Ländern zum Instrument der politischen Kommunikation geworden sind. Wer aber je nach Bedarf Desinformation verbreitet oder unliebsame Wahrheiten als Fake News denunziert, will die Informationsgesellschaft aushöhlen. Unsere Antwort darauf kann nur lauten, unaufgeregt und fokussiert mit geschärften journalistischen Werkzeugen fortzusetzen, was wir seit langem tun: nämlich umfassend recherchieren, informieren, aufklären, Hintergründe aufzeigen, einordnen, Haltung zeigen. Wer Fake News sät, muss Entlarvung ernten."

Alexander Kudascheff© Deutsche Welle
Alexander Kudascheff, Chefredakteur Deutsche Welle: "Fake News hat es immer gegeben. Sie hießen nur anders, ärgerten aber nicht weniger. Von rechts wie von links. Die derzeitige Hysterie, die Aufregung ist überflüssig. Ja geradezu ärgerlich. Wir Journalisten sollten argumentieren, statt zu lamentieren. Schlicht: Unser Handwerk tun. Und es braucht ganz gewiss kein staatliches Abwehrzentrum gegen 'Fake News'."

Ulf Poschardt© Welt / Claudius Pflug / Berlin
Ulf Poschardt, Chefredakteur WELT: "Die Debatte um 'Fake News' muss geführt werden. Schon allein allein deshalb, weil sie sensibilisiert. Das ist gut. Die sich ausbreitende Hysterie darüber, dass mitunter falsche und gefälschte Informationen in den Kreislauf auch anspruchsvoller Medien geraten können, überrascht etwas. Noch komischer wird es, wenn staatliche Institutionen oder gar Ministerien glauben, darüber entscheiden zu können, was wahr ist und was nicht. Wir Journalisten arbeiten hart jeden Tag, um ein möglichst genaues und exaktes Abbild der Wirklichkeit anzubieten. Wir wissen, dass dies nicht immer gelingen kann, aber unser Bestreben ist in seiner Ernsthaftigkeit geforderter denn je. Ein wenig Gelassenheit hilft, wie unser CEO Mathias Döpfner gesagt hat: seit Jahrhunderten tauschen Menschen auf Marktplätzen und in Kneipen Gerüchte aus. Jetzt passiert das auf Facebook und Twitter. Kein Problem. Wir bieten als Kontrastmittel Recherche und Substanz."